wiki:1985_sudan
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====== Durch die Libysche Wüste mit einem Faun ====== | ====== Durch die Libysche Wüste mit einem Faun ====== | ||
- | Norbert Lüdtke (1985) | + | |
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Das ganze Jahr über hatte ich Reisepläne entworfen, Details geplant: Nach Schwarzafrika sollte es gehen, ohne Frage. Auch die Wüste wollte ich erleben, intensiv und tagelang, und den Dschungel kennenlernen. Die arabischen Länder dagegen lagen mir fern, ihr Lebensstil war mir zu laut, zu schrill. Eine Route durch Tunesien, Algerien, Niger zur westafrikanischen Küste war ausgearbeitet, | Das ganze Jahr über hatte ich Reisepläne entworfen, Details geplant: Nach Schwarzafrika sollte es gehen, ohne Frage. Auch die Wüste wollte ich erleben, intensiv und tagelang, und den Dschungel kennenlernen. Die arabischen Länder dagegen lagen mir fern, ihr Lebensstil war mir zu laut, zu schrill. Eine Route durch Tunesien, Algerien, Niger zur westafrikanischen Küste war ausgearbeitet, | ||
- | Genau das war schon auf früheren Reisen mein Traum gewesen: Routen, Rastplätze und Richtungen im eigenen fahrzeug selbst bestimmen zu können anstatt sich in Bussen zu quälen. Über die //Deutsche Zentrale für Globetrotter// | + | Genau das war schon auf früheren Reisen mein Traum gewesen: Routen, Rastplätze und [[wiki: |
Einige dieser Länder kannte ich von früheren Reisen, war schon einmal dort gewesen mit dem [[wiki: | Einige dieser Länder kannte ich von früheren Reisen, war schon einmal dort gewesen mit dem [[wiki: | ||
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Das Abteil nimmt unseren Geruch an, wird voller. Schafskäse, | Das Abteil nimmt unseren Geruch an, wird voller. Schafskäse, | ||
- | 56 Stunden: Zeit, zu überlegen, wohin die Reise führt. Das Reisen der Anderen steckt an, der Unruhe-Virus breitet sich aus; im Unterwegs-Sein sind alle einander vertraut: Ja, das Studium ist nach endlosen Jahren abgeschlossen, | + | 56 Stunden: Zeit, zu überlegen, wohin die Reise führt. Das Reisen der Anderen steckt an, der Unruhe-Virus breitet sich aus; im [[wiki: |
Die Reise soll mir ein Spiegel sein; ein Teil meiner Erinnerungen wird sich im Tagebuch wiederfinden - Fotos sagen mir wenig. Selbst unbeschrieben ist das Tagebuch die Summe meiner bisherigen Beschäftigung mit Büchern; es steht für alle Bücher, die ich gerne gelesen habe, für mein Examen, meinen Beruf, es ist die Nabelschnur zur Heimat. Auf dieser Reise wird es einen Zweikampf führen müssen mit den niedergeschriebenen Erinnerungen und Erlebnissen: | Die Reise soll mir ein Spiegel sein; ein Teil meiner Erinnerungen wird sich im Tagebuch wiederfinden - Fotos sagen mir wenig. Selbst unbeschrieben ist das Tagebuch die Summe meiner bisherigen Beschäftigung mit Büchern; es steht für alle Bücher, die ich gerne gelesen habe, für mein Examen, meinen Beruf, es ist die Nabelschnur zur Heimat. Auf dieser Reise wird es einen Zweikampf führen müssen mit den niedergeschriebenen Erinnerungen und Erlebnissen: | ||
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Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit einem Schritt, sagt '' | Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit einem Schritt, sagt '' | ||
- | Nun ist die Luft lau, ich habe ein T-Shirt an, das bald schwarz ist vom Smog über der Akropolis. Menschen, Sprache, Kleidung, Kultur sind mir vertraut, auch wenn ich sie nicht verstehe. Noch fühle ich mich zu Hause, bin Europäer. | + | Nun ist die Luft lau, ich habe ein T-Shirt an, das bald schwarz ist vom Smog über der Akropolis. Menschen, Sprache, |
==== In Ägypten ==== | ==== In Ägypten ==== | ||
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Dorthin waren auch die übrigen fünf Reisenden unterwegs. '' | Dorthin waren auch die übrigen fünf Reisenden unterwegs. '' | ||
- | Eine Woche badeten und tauchten wir im Roten Meer; in der Nähe von //Sharm el Sheik// gibt es einsame Sandstrände und kleine Dörfer, in denen wir uns mit Fisch, Zucchini, Auberginen, Zwiebeln und Linsen versorgten. Der Strand, an dem wir schliefen, war sauberer als alle Hotels und morgens ging die Sonne über dem Meer auf; beim allmorgendlichen Strandlauf fand ich angetriebene Holzreste für das Frühstücksfeuer. | + | Eine Woche badeten und tauchten wir im Roten Meer; in der Nähe von //Sharm el Sheik// gibt es einsame |
- | Ausgedehnte Spaziergänge führten uns durch die großartige | + | Ausgedehnte |
In der letzten Woche brachen wir auf zum //Dschebel Musa//, dem Berg Moses, an dessen Fuß das älteste christliche Kloster, das Katharinenkloster, | In der letzten Woche brachen wir auf zum //Dschebel Musa//, dem Berg Moses, an dessen Fuß das älteste christliche Kloster, das Katharinenkloster, | ||
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Die Brücke, auf der wir bei Beni Suef den Nil überqueren wollten, existierte nicht. Dies war nur der Anfang. In den nächsten Wochen blieb kein Tag ohne Enttäuschung. Vorerst konnte noch einige Tage relaxt werden: Von der Töpferstadt Quena, 642 Kilometer südlich von Kairo, nahmen wir die breite Asphaltstraße nach Port Safaga am Roten Meer, fuhren dann weiter südlich bis //Marsa Alama//, dem südlichsten für Touristen erlaubten Ort, und genossen das Meer und die warme Sonne. | Die Brücke, auf der wir bei Beni Suef den Nil überqueren wollten, existierte nicht. Dies war nur der Anfang. In den nächsten Wochen blieb kein Tag ohne Enttäuschung. Vorerst konnte noch einige Tage relaxt werden: Von der Töpferstadt Quena, 642 Kilometer südlich von Kairo, nahmen wir die breite Asphaltstraße nach Port Safaga am Roten Meer, fuhren dann weiter südlich bis //Marsa Alama//, dem südlichsten für Touristen erlaubten Ort, und genossen das Meer und die warme Sonne. | ||
- | Erfahrungen wurden ausgetauscht. Wünsche geäußert und Erwartungen beschrieben — war es doch das erste Mal, daß die Gruppe vollständig zusammen war. Auf der riesigen Ladefläche stapelten sich fünf Ersatzreifen, | + | Erfahrungen wurden ausgetauscht. Wünsche geäußert und Erwartungen beschrieben — war es doch das erste Mal, daß die Gruppe vollständig zusammen war. Auf der riesigen Ladefläche stapelten sich fünf Ersatzreifen, |
Pläne wurden gewälzt, jeder hatte noch Ideen für weitere Besorgungen, | Pläne wurden gewälzt, jeder hatte noch Ideen für weitere Besorgungen, | ||
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Die Spuren der alten Reisenden zeigen auch heute noch den Pistenverlauf an: Zahllose, von der Sonne gebleichte Kamelgerippe, | Die Spuren der alten Reisenden zeigen auch heute noch den Pistenverlauf an: Zahllose, von der Sonne gebleichte Kamelgerippe, | ||
- | In den Zwanziger und Dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts gelangten erstmals Expeditionen hierher: 1925 '' | + | In den Zwanziger und Dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts gelangten erstmals Expeditionen hierher: 1925 '' |
Selbst genügsame Tiere: Schlangen, Skorpione, Käfer … sind in diesem Teil der Sahara selten, hin und wieder sahen wir ihre Spuren im Sand; größere Tiere bekamen wir niemals zu sehen. Nicht einmal trockenes Gras fanden wir. Wasservorkommen beschränken sich auf wenige Brunnen, die meist als Militärstützpunkte dienen. Im Winter aber ist es in dieser Wüste erheblich kühler als in anderen Jahreszeiten, | Selbst genügsame Tiere: Schlangen, Skorpione, Käfer … sind in diesem Teil der Sahara selten, hin und wieder sahen wir ihre Spuren im Sand; größere Tiere bekamen wir niemals zu sehen. Nicht einmal trockenes Gras fanden wir. Wasservorkommen beschränken sich auf wenige Brunnen, die meist als Militärstützpunkte dienen. Im Winter aber ist es in dieser Wüste erheblich kühler als in anderen Jahreszeiten, | ||
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Auch das Gesehene gewinnt an Tiefe, ich erlebe es neu in der Monotonie der Sandwüste: Schon ein einzelner Stein oder ein Kamelknochen ist ein Ereignis in der Gleichförmigkeit des gerippten Sandes, Grund genug zur Richtungsänderung und zur näheren Betrachtung. Entfernungen zu schätzen, wurde mir unmöglich: oft wurden Felsstücke, | Auch das Gesehene gewinnt an Tiefe, ich erlebe es neu in der Monotonie der Sandwüste: Schon ein einzelner Stein oder ein Kamelknochen ist ein Ereignis in der Gleichförmigkeit des gerippten Sandes, Grund genug zur Richtungsänderung und zur näheren Betrachtung. Entfernungen zu schätzen, wurde mir unmöglich: oft wurden Felsstücke, | ||
- | Der Darb ei Arba’in wollen wir in weitem Abstand folgen, aus Furcht vor Kontrollen. So schlagen wir einen weiten Bogen durch die Wüste, Richtung Libyen. Vom ersten Tag an fallen wir gegenüber den anderen zurück: Der Lkw ist zu schwer für den Sand der Wüste, die Reifen taugen nur auf normalen Böden. Wir lassen Luft ab, um die Auflagefläche zu vergrößern. | + | Der Darb ei Arba’in wollen wir in weitem Abstand folgen, aus Furcht vor Kontrollen. So schlagen wir einen weiten Bogen durch die Wüste, |
- | Heilig Abend: Das erste Erwachen in der Wüste ist begleitet vom kalten Wind, der es mir schwer macht, den Daunenschlafsack zu verlassen. Wer zuerst wach ist, kocht Kaffee. Heißer Kaffee ist an diesen Morgen das Wichtigste. 93 Kilometer zeigt der Tacho nachmittags an; die Konvoipartner sind schon lange nicht mehr in Sicht, den ganzen Tag sind wir ihren Spuren gefolgt. Die Gegend ist felsig, unübersichtlich, | + | Heilig Abend: Das erste Erwachen in der Wüste ist begleitet vom kalten Wind, der es mir schwer macht, den Daunenschlafsack zu verlassen. Wer zuerst wach ist, kocht Kaffee. Heißer Kaffee ist an diesen Morgen das Wichtigste. 93 Kilometer zeigt der Tacho nachmittags an; die Konvoipartner sind schon lange nicht mehr in Sicht, den ganzen Tag sind wir ihren Spuren gefolgt. Die Gegend ist felsig, unübersichtlich, |
Noch sind die Spuren unserer Partner eindeutig: Auch sie hatten zu kämpfen - wir sehen tiefe Löcher, es wurde geschaufelt. Schleifspuren der Sandbleche führen bis auf festen Untergrund und wurden dort wieder verladen. Der Wüstenboden hat ein gutes Gedächtnis. | Noch sind die Spuren unserer Partner eindeutig: Auch sie hatten zu kämpfen - wir sehen tiefe Löcher, es wurde geschaufelt. Schleifspuren der Sandbleche führen bis auf festen Untergrund und wurden dort wieder verladen. Der Wüstenboden hat ein gutes Gedächtnis. | ||
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Ich erlebe in dieser Nacht erstmals den Schrecken der Wüste, als ich, den Wagenspuren unserer Konvoipartner folgend, in die Wüste hinausgehe. Nur mit den Füßen kann ich die Spuren im Sand tasten, sehen kann ich sie nicht. Es ist Neumond, unterhalb des Horizonts herrscht einheitliches Schwarz, den Hügel vor mir erkenne ich nur als schwarzes Loch ohne Sterne, Eine Stunde vielleicht folge ich den Spuren, der Boden wird langsam fester, Sand weicht Stein, dann kann ich die Spuren vom Untergrund nicht mehr unterscheiden. Nur noch einige Meter trennen mich von der Hügelkuppe, | Ich erlebe in dieser Nacht erstmals den Schrecken der Wüste, als ich, den Wagenspuren unserer Konvoipartner folgend, in die Wüste hinausgehe. Nur mit den Füßen kann ich die Spuren im Sand tasten, sehen kann ich sie nicht. Es ist Neumond, unterhalb des Horizonts herrscht einheitliches Schwarz, den Hügel vor mir erkenne ich nur als schwarzes Loch ohne Sterne, Eine Stunde vielleicht folge ich den Spuren, der Boden wird langsam fester, Sand weicht Stein, dann kann ich die Spuren vom Untergrund nicht mehr unterscheiden. Nur noch einige Meter trennen mich von der Hügelkuppe, | ||
- | Im Laufe der Jahrhunderte würde ich schmelzen: Die Erosion macht alles zu Sand. Es liegt eine unbestimmbare Großartigkeit in dieser Form der Hingabe. Die Entscheidung, | + | Im Laufe der [[wiki: |
Zwar weiß ich noch nicht wie, aber ich werde meinen Sinnen eine * [[wiki: | Zwar weiß ich noch nicht wie, aber ich werde meinen Sinnen eine * [[wiki: | ||
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Heute haben wir nur 100 Liter Diesel verbraucht, gestern noch 200 Liter; je nach Bodenbeschaffenheit reicht der Rest für l bis 3 Tage. Diesel wird für uns wichtiger als Wasser und Nahrung; bei jedem Tanken mischen wir MotorÖl und Waschbenzin bei, der Vielstoffmotor kann’s vertragen. | Heute haben wir nur 100 Liter Diesel verbraucht, gestern noch 200 Liter; je nach Bodenbeschaffenheit reicht der Rest für l bis 3 Tage. Diesel wird für uns wichtiger als Wasser und Nahrung; bei jedem Tanken mischen wir MotorÖl und Waschbenzin bei, der Vielstoffmotor kann’s vertragen. | ||
- | Mittwoch. Ein Teil der Gruppe versinkt in Lethargie, die anderen halten weiterhin Ausschau nach dem Nil; im Osten sind jetzt größere Erhebungen sichtbar geworden, schroff und schwarz erscheinen sie aus der Entfernung. Irgendwann fahren wir stur drei Kilometer nach Süden, weil wir als Nil erkannt haben, was sich als Luftspiegelung erwies. Fata Morgana im Kopf. Panik kommt auf. Jeder stachelt mit seiner Angst die anderen auf — gemeinsam läßt sie sich besser ertragen. | + | Mittwoch. Ein Teil der Gruppe versinkt in Lethargie, die anderen halten weiterhin Ausschau nach dem Nil; im Osten sind jetzt größere Erhebungen sichtbar geworden, schroff und schwarz erscheinen sie aus der Entfernung. Irgendwann fahren wir stur drei Kilometer nach Süden, weil wir als Nil erkannt haben, was sich als Luftspiegelung erwies. |
Detlev wird hysterisch und redet ununterbrochen; | Detlev wird hysterisch und redet ununterbrochen; |
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