Die Phantasie - neudeutsch abgewertet als Exotismus - führt den Blick in die unendlichen Welten des U-Topos, der unter dem Schutz der Reisegötter steht. Wenn aber ein U-topos denkbar ist, wo liegen dann die Phantasiewelten des U-chronos? Imaginäre Reisen führen zu phantastischen Orten. Fiktionen helfen Ziele zu setzen, aber Illusionen können verführen auf der Grenze zwischen real life und virtual reality, zwischen Trug und Wirklichkeit.
Samuel Johnson
(1696 - 1772)
»Reisen ist in der Jugend ein Teil der Erziehung, im Alter ein Teil der Erfahrung. Der Sinn des Reisens besteht darin, unsere Phantasien durch die Wirklichkeit zu korrigieren. Statt uns die Welt vorzustellen, wie sie sein könnte, sehen wir sie wie sie ist.«
Brockhaus
1851, Stichwort Abenteuer
»Demgemäß auch wird mit abenteuerlich alles Das bezeichnet, was über die Gesetze der Natur oder die der moralischen Welt hinausgeht und seine Entstehung vielmehr einer zügellosen Phantasie und blindem Thatendurst als irgend einem vernünftig sittlichen Zweck verdankt.«
Alfred North Whitehead
(1861 - 1947) in Abenteuer der Ideen (1933
»Derart rasche Übergänge zu neuen Formen der Zivilisation sind nur dann möglich, wenn das Denken der Menschen den Gegebenheiten der bestehenden Zivilisation vorausgeeilt ist, wenn sich die Lebenskraft der betreffenden Völker in ein Abenteuer der Phantasie gestürzt hat, das die physischen Abenteuer der Exploration des Neuen antizipiert. Die Welt träumt dann von den Dingen, die kommen sollen; und wenn die Zeit reif ist, geht sie an ihre Verwirklichung. Es ist in der Tat immer so, daß dem physischen Abenteuer, das einen bestimmten Zweck verfolgt, ein Abenteuer des Denkens über Dinge, die noch nicht wirklich sind, vorausgegangen ist. Bevor Columbus
die Segel setzte, um nach Amerika aufzubrechen, hat er vom Fernen Osten, von der Kugelgestalt der Erde und von den Gefahren des grenzenlosen Ozeans geträumt. Abenteurer erreichen selten das Ziel, das sie sich vorgenommen haben. Columbus ist nie in China angekommen; aber er hat Amerika entdeckt.«
Walter Moers Die 13 1/2 Leben des Käpt’n Blaubär Die halben Lebenserinnerungen eines Seebärs … Frankfurt/M: Eichborn 1999. Pappband mit Umschlag, 16,5x24,5 cm: 702 S., ca. 200 Zeichnungen
Es gibt nichts mehr zu entdecken in der Welt. Messner
joggt durch die Antarktis, Nehberg
strampelt den Atlantik im Tretboot. Der Reiz des Unbekannten? Weg. Nie gesehene Lebensformen? Siehe Katalog.
Doch hin und wieder nehmen die Götter der Reisenden, Hermes oder Lug, Menschengestalt an. Dann nennen sie sich Mandeville
oder Münchhausen
, Tolkien
oder Michael Ende
. Hier leitet uns eine Inkarnation namens Walter Moers
auf den doppelt gewundenen Pfad der Phantasie von Käpt’n Blaubärs Reisen. Bei den Zwergpiraten lernt der Käpt’n alles über das Scheitern der kleinen Leute, aber auch die 723 Knoten: den doppelten Zwergpiratenschürzling, die Sturmkrawatte, die Klabauterfessel … Tratschwellen lehren ihn das Sprechen, bevor er Navigator wird beim Rettungssaurier Deus X. Machina („Schöne Jungfrauen in großer Gefahr …“). Professor Nachtigaller („Wissen ist Nacht!“) schenkt ihm das Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder, Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung (erscheint demnächst als Ergänzung des »Selbstreise-Handbuches« in der zamonischen Sonderausgabe).
Das ultimative Zamonien-Reisehandbuch (www.zamonien.de) – doch Vorsicht! Mehr als ein Kapitel pro Woche zu lesen, erhöht die Gefahr in ein Dimensionsloch zu fallen. (Rezensiert in Der Trotter von Norbert Lüdtke)
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