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Ranzen

In der Schriftsprache findet sich der Ranzen als Reisegepäckstück (Proviantbeutel) zwar erst 1510 als Renzel, Rensel, Ränzel, Räntzel … doch deutet seine Herkunft aus dem Rotwelschen darauf hin, dass der Begriff zu diesem Zeitpunkt bereits lange auf der Straße üblich war 1), etymologisch ist seine Herkunft dunkel.

„Das Ränzlein schnüren“ bedeutete ein Gepäckstück auf beiden Seiten so zu binden, dass es wie eine große Wurst aussah; als solche wurde es um den Hals gelegt. Gleichbedeutend ist das oberschlesische pukeltasza für eine Buckeltasche, also kein Rucksack. Eine solche Wurst erscheint auch als Attribut des Narren (Hans Wurst). Im übertragenen Sinne ab dem 17. Jahrhundert auch für Bauch und Buckel. Das Wörterbuch von Stieler 1522 nennt »ein raucher ranzen, vidulus hispidosus«. Letzteres verweist auf Borsten, struppiges Haar, Stacheln. Dies und die Herkunft aus dem Rotwelschen lässt auf ein schlichtes Gepäckstück schließen, vielleicht aus billigem Schweinsleder, ungeglättet mit Borsten.

Dieses eigenartige Gepäckstück scheint in den benachbarten östlichen Sprachräumen unbekannt gewesen zu sein, denn dort wurde das deutsche Lehnwort mundgerecht übernommen als ranec (tschechisch, weißr.), ранец (russisch, ukrain, serb.), ranac (serbokr., ung.), ránica (bulg.) ranac (rumän.), ранац (serb.), Ranitsa, ranits (estn., finn.), ránjec (weißruss.) 2), ränitsa (finnisch) 3).

In allen Verwendungen haftet an dem Wort etwas Einfaches und Grobes. So findet es sich auch als Verb für `Handel treiben, etwas Filziges tun, sich auf der Straße herumtreiben, pöbeln, schimpfen, buhlen, läufig sein´. Es deutet immer auf Bewegungen wie stoßen und rennen. 4).

Das „leere Studenten-Ränzlein“ wird bereits 1711 als allgemein bekannt vorausgesetzt 5) und vom Schweizer Gemsjäger heißt es 1746: „Seine Ausrüstung bestehet in einem rauhen Kittel, Geschoß, Pulver und Kugeln, einem Ränzlein mit etwas dürren Fleisch oder Käse und Brot versehen …“ 6).
Insbesondere Goethe führte es in die Literatur ein 7). Figurativ wird es als Redewendung eingesetzt, um eine schnelle und endgültige Form des Aufbruchs zu beschreiben, einer kleinen Flucht ähnlich: „darum hast du auch dein Ränzlein immer geschnürt wie ein störriger Geselle, der den Wanderstecken nicht aus der Hand legt, weil die Leute sich mit ihm nicht vertragen können.“ 8). In der Dimunitivform Ränzlein erscheint es romantisierend ab dem 18. Jahrhundert in Volksliedern.

Insbesondere ab dem 19. Jahrhundert wurde der Ranzen auch gleichbedeutend mit anderen auf dem Rücken getragenen Reisegepäckarten aus kräftigem Leder wie dem Tornister und insbesondere für Schultaschen.

1)
Engelbert Wittich: Die jenische Sprache. Archiv für Kriminal-Ahthropologie und Kriminalistik, Band 63, Vogel, Leipzig 1915–1916. Online
2)
Ranec (aus dem deutschen): Ranzen, Reisebindel, Felleisen, n. sarcina, pure sl. noffka, batoh, batuzek, boh, nüffe, nüffka, auch filec. Jiří Palkovič/Georg Palkowitsch
Böhmisch-deutsch-lateinisches Wörterbuch: mit Beyfügung der den Slowaken und Mähren eigenen Ausdrücke und Redensarten, Band 2, Preßburg 1821
3)
Eino Koponen: Eteläviron murteen sanaston alkuperä: itämerensuomalaista etymologiaa, Ausgabe 230 Suomalais-ugrilainen Seura, 1998
4)
DWDS ; Grimm, DWB Bd. 14,
sehr ausführlich mit vielen Belegen bei Walther Mitzka: Trübners Deutsches Wörterbuch. Walter de Gruyter Berlin 1954, O-R, S. 292-293
5)
Allmosen-Predigt von Johann F. Spörer, Flugblatt
6)
Johann Jakob Scheuchzer: Natur-Geschichte des Schweitzerlandes. Band 1, S. 70
7)
Faust 168, Auerbachs Keller, Rattenlied: „Hatte sich ein Ränzlein angemäst't, Als wie der Doctor Luther“
8)
Sebastian Brunner: Gesammelte Erzählungen und poetische Schriften. 1866, 1, 260
wiki/ranzen.1731165640.txt.gz · Zuletzt geändert: 2024/11/09 15:20 von norbert

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