Knitter, J.
: Dein Segen leuchtet. Reisesegen-Gottesdienste. Gütersloh 2008Dies ist eine alte Version des Dokuments!
Reisesegen
engl. Journey charms & blessings
Reisesegen gehören heute zur christlichen Kirche 1), werden jedoch unausgesprochen überall dort praktiziert, wo sich Menschen in ein Unterwegs-sein verabschieden und mit guten Wünschen verabschiedet werden: „Ich wünsche Dir … auf allen Deinen Wegen.“ Dabei kommt es auf die Perspektive an:
- Der Ausfahrtsegen ist meist in der Ich-Form verfasst und wurde vom Gehenden gesprochen (Münchner Ausfahrtsegen). Gemeint ist damit ein morgendliches Gebet, das sich auf das beginnende Tagewerk bezieht, also in der Regel keine Reise meint.
- Der Reisesegen ist dagegen ein symbolisches Geleit, in der Du-Form formuliert und dem Gehenden mitgegeben, ist von Gesten begleitet (schützende Hand, Kreuzzeichen) und möglichen symbolischen Gaben (Amulett, Glücksbringer, Kreuz, Christophorus-Medaille …).
„Bedeutungsvoll im germanischen Heidenthum“ 2) sollte der Reisesegen als Reiseschutzzauber helfen, über Feinde zu siegen, etwa indem deren Waffen stumpf werden sollten und die eigenen scharf oder indem ein symbolischer Schutz erfleht wurde (Friedhemd, Siegring, Sieggürtel).
Friedrich Hälsig
Der Zauberspruch bei den Germanen bis um die Mitte des XVI. Jahrhunderts.
XI, 110 S. Diss. Universität Leipzig 1910: Seele. hier: S. 4, 49Hoffmann-Krayer, E.
Zum Eingang des Weingartner Reisesegens.
8 (1904-1905) 65, hier: S. 113 f. DOI Der dort zitierte Liebessegen der „Stammlerin“ zeigt Parallelen zum Weingartner Reisesegen (Ich sieh dir nâch und sende dir nâch …). Diese wurde als Hexe verbrannt.Stuart, Heather
'Ic me on þisse gyrde beluce': the Structure and Meaning of the Old English„ Journey Charm.
Medium Ævum 50.2 (1981): 259-273. OnlineBatten, Caroline R.
hand over head: a possible reference to the old english metrical psalms in the ‘journey charm.’
Medium Ævum, 90.1 (2021) 143–48. OnlineKarel Felix Fraaije
Magical Verse from Early Medieval England: The Metrical Charms in Context.
499 S. Diss. 2020 University College London. Online
Fraaije vergleicht gründlich die Fassungen und Deutungen des Journey Charms, diskutiert insbesondere den Begriff gyrd (Walking Canes and Protective Girdles: gyrd and sigegyrd) und interpretiert den Text als Lorica.
Ein ehrenvoller Abschied setzte im Mittelalter Urloup voraus, also die Erlaubnis sich zu entfernen (lat. übersetzt als licentia, permissus, venia). Dies ist eine Freiheit, die zwar von anderen gewährt wird, setzt jedoch eine Freiheit voraus, die man sich nimmt. Diese „möglichkeit, nach belieben zu verfahren“ kann auch missbraucht werden 3) Mittelalterliche Reisesegen zielen daher auf das Erringen von Ehre im Kreise Anderer.
Herkommer, Hubert
Urloup nemen: Abschiede im Mittelalter. S. 347-389 in: Edgar Bierende, Sven Bretfeld und Klaus Oschema (Hg.): Riten, Gesten, Zeremonien. (=Trends in Medieval Philology, 14) Berlin–New York 2008. DOI
Im christlichen Mittelalter zielte der Weingartner Reisesegen primär auf den Schutz vor Gefahren und Unglück unterwegs; Waffen und Rüstung werden allegorisch benannt.
- 'Weingartner Reisesegen Ic dir nach sihe' Hans-Hugo Steinhoff, in: 2Verfasserlexikon 10 (1999), Sp. 818f.
Der Tobiassegen bezieht sich auf die biblische Erzählung über den Abschied des Tobias, dem sein Vater den Segen zum Abschied erteilte (Tobias 5,23) und den der Engel Raphael begleitete. Daran ist, dass er auch die Gefahren für die Seele einbezieht.
Alle Reisesegen zeigen eine weltliche Perspektive, indem sie die Zeit nach Aufbruch bis zur Heimkehr schützen sollen. So verallgemeinert wird das Leben unter den Schutz bestimmter Heiliger gestellt (Johannesminne, St. Gertruden Minne).
Dieses Kapitel beginnt damit, die Interpretationsgeschichte des altenglischen „Journey Charm“ nachzuzeichnen und schlägt vor, dass der Text einen irreführenden modernen Titel hat. Die Vorstellung, dass es ein Zauber sei, sich auf Reisen Schutz zu verschaffen, scheint auf eine versteckte und ungenaue englische Übersetzung einer deutschen Genrebezeichnung zurückzuführen zu sein. Im 19. Jahrhundert beschrieb Wülcker den Text mit der Bezeichnung Reisesegen. In der Mittelalterwissenschaft bezeichnet dieser Begriff vor allem eine Gruppe von Segnungen, die auch Tobiassegen genannt werden. Grendon interpretierte Reisesegen jedoch als „Reisezauber“, was zu der weit verbreiteten Annahme führte, dass der Zauber ein spätes Zeugnis einer alten germanischen Gattung für sicheres Reisen sei. Das oben dargelegte Argument besagt, dass die Lorica-Phraseologie sowohl den altenglischen „Journey Charm“ als auch die mittelhochdeutschen Reisesegen, mit denen sie verglichen wurde, prägt. Loricae sind eine frühmittelalterliche Gattung von Schutzgebeten, die eng mit dem irischen Mönchtum verbunden sind. Mehrere Beweise belegen, dass solche Texte das altenglische Gedicht prägten. Bezeichnenderweise scheint das einzige erhaltene Exemplar des metrischen Zaubers von einem Schreiber angefertigt worden zu sein, der daran interessiert war, insulare apotropäische Texte zu sammeln. Darüber hinaus enthalten deutsche Reisesegen Motive, die offenbar aus dem Irischen übersetzt wurden. Am wichtigsten ist, dass der „Reisezauber“ Ausdrücke und Themen enthält, die beispielsweise auch in der „Lorica von St. Brendan“, der „Lorica von Laidcenn“ und der „Klosterneuburger Lorica“ vorkommen. Die Vorstellung, dass der „Reisezauber“ isolierten apotropäischen Gebeten ähnelt, wirft ein neues Licht auf einen berüchtigten Kernpunkt in der ersten Zeile des Textes. Der Text beginnt damit, dass ein Sprecher erklärt, er wolle sich in einem Gürtel „einschließen“. Die meisten früheren Kommentatoren haben dieses Wort als Hinweis auf eine Art (Amulett-)Stab, Kreuz oder Stab interpretiert. Loricae sind gesprochene „Brustpanzer“ und beschwören oft verbale Gegenstücke zu physischen Rüstungen (häufig Rüstungen basierend auf der Schrift). Bezeichnenderweise beziehen sich einige in ihren Eröffnungszeilen auch auf Gürtel, die der Darsteller als eine Form des Schutzes „tragen“ soll. Der Gyrd im „Journey Charm“ artikuliert wahrscheinlich eine altenglische Verschmelzung beider Themen. Glossen und Analogien zeigen, dass gyrd ein seltenes westgermanisches Verwandtes des altnordischen Lehnworts „Umfang“ war. Im „Reisezauber“ scheint das Wort eine Beschreibung des „armaturam Dei“ aus Epheser 6:11–18 zu vervollständigen
Sebastian Franck
1499-1542, urlaub, m., Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Online https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=U14291