Sendung
Das `Reisen´ verträgt sich nach heutigem Verständnis nicht mit `Gesendetwerden´, weil der Gesandte schließlich nicht aus eigenem Antrieb reist, sondern weil er muss. Und doch steht der Bote am Beginn einer Geschiche des Reisens, der Post, des Kundschaftens.
Die Aufgaben des Boten
Die Aufgaben des Boten in seinen verschiedenen Formen lassen sich hierarchisch ordnen:
Der
Bote (gr. angelós, ἄγγελος > `Engel´) soll etwas überbringen in Unkenntnis der Angelegenheit. Er trägt die Verantwortung bis zur Übergabe. Anders als ein
Gepäckträger ist er persönlich Teil einer Informationskette und kann als Überbringer einer schlechten Nachricht dafür verantwortlich gemacht werden.
Der
Herold ist die Stimme seines Herren; er überbringt, indem er eine Botschaft verkündet. Der
Heroldstab zeigt an, dass er das Recht hat zu sprechen.
Der Gesandte (gr. apostellō, ἀποστέλλω > `Apostel´, lat. legatus) steht darüber hinaus auch inhaltlich Rede und Antwort; abgeleitet von `senden´ (στέλλω stéllō < indogermanisch *stel-).
Der Botschafter (lat. nuntius) schließlich ist ein vollwertiger Stellvertreter seines Herren und befugt zu entscheiden.
Ausführlich zu den Begrifflichkeiten:
Beyreuther, Erich, Lothar Coenen
Theologisches Begriffslexikon Zum Neuen Testament.
Witten SCM R. Brockhaus 2010, S. 1653 ff. `Sendung/Mission´
Ibn, al-Farrāʼ -Ḥ. M, Maria Vaiou
Diplomacy in the Early Islamic World
A Tenth-Century Treatise on Arab-Byzantine Relations: the Book of Messengers of Kings (kitāb Rusul Al-Mulūk) of Ibn Al-Farrā'.
Londres: I.B. Tauris, 2019, S. 97-99 mit ausführlichen Quellen zur Diskussion verwandter Begriffe:arab. rasul (rasala); gr. angelos-presbys-keryx [
Kerykeion ]; angelos = diakonos
Dianikion]; angelos-apokrisiasios-apostolos-presbys-presbeutes-basilikos-apestalmenos; autangelos [derjenige, der in eigener Sache Nachrichten überbringt, also erzählt, was er gesehen hat].
Angelos - Angelus : From the Antiquity to the Middle Ages.
Tagungsband. Kongress Foggia 2012. VI, 529 S. Sismel - Edizioni Del Galluzzo 2015.
Inhalt
Wirth, Karl-August
Engel.
Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. V (1960), Sp. 341–555; in:
RDK Labor
Eichman, Th. L.
Althochdeutsch Sinnan ‘Streben Nach’‚ Sanskritisch San-‚ Sā-‘Gewinnen’‚ und Hethitisch Sanḫ- ‘Erstreben.’
Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung, 87.2 (1973) 269–71.
Online
Werner Stegmaier
Philosophie der Orientierung.
XX, 804 S. Berlin 2008: De Gruyter.
Inhalt u.a die Abschnitte:
Im Auftrag des Herren
Im Auftrage eines Herren eine Mission auszuüben, beinhaltet Aspekte des Ausspähens, der Propaganda, Werbung, Täuschung. Das weiß auch die andere Seite. Das System funktioniert aber nur, wenn Boten, Gesandte, Botschafter unter besonderem Schutz stehen. Im indoeuropäischen Raum galt weithin der weiße Stab als Kennzeichen, dass sich jemand außerhalb seines ursprünglichen Rechtsgebietes bewegt. Stab und Flügel kennzeichnen den Boten; Caduceus und Flügelschuhe trägt auch Hermes
als Gott der Boten, Reisenden und Wege. Hermes zeugt mit Pandrosos einen Sohn, Keryx (κῆρυξ `Herold´), der das Priestergeschlecht Kerykes begründete mit dem Amt als Opferschlächter, welche den Stab
Kerykeion trugen.
Agstner Rudolf
„Die Hitze hier ist wieder kolossal …“. Des Kaisers Diplomaten und Konsuln auf Reisen. Reiseschilderungen 1808-1918.
282 S. Wien 2014: Lit.
Rezension. Enthält 42 Berichte von 35 Reisenden 1808-1918.
Hamann, Günter
Die wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung der Gesandtschaftsreisen mittelalterlicher Mönche an die Höfe Inner- und Ostasiens.
In: Wilhelm Baum (Hg.): Kirche und Staat in Idee und Geschichte des Abendlandes. Festschrift zum 70. Geburtstag v. Ferdinand Maass SJ. 367 S. Wien 1973: Herold
Jaspert, Nikolas
Interreligiöse Diplomatie im Mittelmeerraum. Die Krone Aragón und die islamische Welt im 13. und 14. Jahrhundert.
S. 159-189 in: Zey, Claudia (Hg.): Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie. Zum geistlichen und weltlichen Gesandtschaftswesen vom 12. bis zum 15. Jahrhundert. Zürich 2008: Chronos.
Online
Mit einer Liste der Gesandtschaften zwischen 1291 und 1327 (S. 186-189)
Die sich selbst verpflichtende Aussendung
Die sich selbst verpflichtende Aussendung praktizieren indische Sadhus (Samsara), griechische Kyniker (bactroperita) wie Diogenes
, christliche Wandermönche wie Brendan
1), Asketen und Eremiten wie Antonius
. »Zieht daher zu allen Völkern« 2) forderte der auferstandene Jesus
seine Anhänger auf; die `Gesandten´ heißen apostellō ἀποστέλλω, die Boten Gottes `Engel´ angeloi, ihre Reiseform wurde sprichwörtlich per pedes apostolorum. Über Jahrhunderte durchzogen Wandermönche Europa, bis sich die stabilitas loci durchsetzte.
Der Wanderzwang
Einer Wanderpflicht unterlagen auch die Gesellen der Zünfte, die erst nach drei Jahren auf der Walz wieder zurückkommen durften. Als »Fremdgeschriebene« dürfen sie nach der Gesellenprüfung losziehen, wenn sie ledig sind, kinderlos, schuldenfrei und unter 30 Jahre alt.
Gesandte und Gesandtschaftswesen
Rainer Schwinges
,
Klaus Wriedt
(Hg.)
Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa.
Tagungsband des Konstanzer Arbeitskreises für Mittelalterliche Geschichte vom 3. bis 6. April 2001 auf der Insel Reichenau. (=Vorträge und Forschungen, 60) 407 S. Ostfildern 2003: Thorbecke.
Inhalt u.a:
Martin Kintzinger
Cum salvo conductu.
Geleit im westeuropäischen Spätmittelalter
Edelmayer, Friedrich
Gesandtschaftsberichte in der Frühen Neuzeit.
S. 849–859 in: Josef Pauser, Martin Scheutz, Thomas Winkelbauer (Hg.): Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.–18. Jahrhundert). Ein exemplarisches Handbuch. Wien 2004 (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, 44). *
Cornelius Wessels
Early Jesuit travellers in Central Asia 1603-1721.
XVI, 344 S. Karten, Ill. Bibliogr. X-XVI. Glossarartiger Index. The Hague 1924: Nijhoff.
DOI
Wessels beschreibt S. 25-26 ausführlich rituelle Gesandtschaften zum Kaiser von China. Alle fünf Jahre mussten tributpflichtige Länder 72 Personen mit Geschenken zum Kaiser schicken. Dies erforderte auf der einen Seite aufwändige Karawanen und auf der anderen Seite aufwändige Unterbringung und Rückbringung. Die Teilnehmer waren Gesandte mit politischen Aufgaben, aber auch Kaufleute mit wirtschaftlichen Aufgaben. Auch die Jesuiten gelangten mit solchen Karawanen an den Hof des Kaisers.