Inhaltsverzeichnis
1791 Vorwort zu Ehrmann Geschichte der merkwürdigsten Reisen
- 1791−1799
Theophil Friedrich Ehrmann
1762-1811
Geschichte der merkwürdigsten Reisen welche seit dem zwölften Jahrhunderte zu Wasser und zu Land unternommen worden sind.
Frankfurt am Main: Hermann. 1.1791−22.1799 Online
Ehrmann diskutiert die Werke vonAbbe Prevot
1746,de Surgy
undde la Harpe
1780
→ Literaturliste Reisesammlungen
Vorrede
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Eine zusammenhängende, nach einem geprüften, vesten Plane, zwekmäßig ausgearbeitete, mit Geschmak dargestellte und wenn ich sagen darf, philosophische Geschichte der merkwürdigsten Reisen neuerer Zeiten, derjenigen Reisen, welche die grosse Revolution in der Sittlichkeit, Aufklärung, Handlung, Schiffahrt und Erdkunde bewirkt haben, welche dem Denker, dem
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Beobachter, dem Erd- Natur- und Menschenforscher ein so weites Feld geöffnet haben – eine solche Geschichte muß ein unterhaltendes, lehrreiches, nüzliches, dem Publikum angenehmes Lesebuch seyn. Dies liegt am Tage. Daß wir bei den vielen zum Theile sehr schäzbaren geographischen Sammlungen, die wir besizzen, bei dem lobenswürdigen Eifer, mit welchem die historischen und geographischen Wisssenschaften in Teutschland betrieben werden, bei der großen Zahl unserer geographischen Schriftsteller dennoch hier eine weite Lükke in unserer Litteratur haben; dies ist gewiß eben so wahr.
Wir besizzen eine lesbare Uebersezzung der großen Geschichte der Reisen, die zuerst Englånder, dann den als Belletrist bekannten Abbe Prevot, und endlich einige andre Franzosen zu Verfassern hatte. Eine übelgeordnete, geschmaklose, unphilosophische Kompilazion, die dem ohngeachtet als Archiv seltner gewordener Reisebeschreibungen ein sehr brauchbares Werk, aber kein Lesebuch, kein Werk für den Nichtgeographen
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ist, der nicht das Unkraut von dem Waizen zu sondern weiß. Es ist zu groß, zu kostbar, zu sehr mit Kupfern überladen, die offenbar oft nur Fantasiestükke sind, zu unvollständig, zu unkritisch, als daß es jene Lükke aussfüllen könnte. Abbe Prevot, mit aller Achtung für seine Verdienste gesprochen, war kein Geograph, und seine Nachfolger, den de Surgy mit eingeschlossen, waren es noch weniger. Sie waren alle Sammler und Uebersezzer, welchen wir zwar Dank schuldig sind, aber darum nie genöthigt werden können, sie für mehr zu erkennen. Wir besizzen auch einen französischen Auszug aus diesem Werke, von dem Dichter de la Harpe verfaßt; ein Werk, das seiner angenehmen Schreibart, seines starken Abgangs und deswegen erhöhten Preißes ungeachtet, bloß als Buchhändlersspekulazion bemerkt zu werden verdient. Denn es ist weiter nichts, als ein Buch das der Verleger der französischen Geschichte der Reisen, von welcher auch eine Oktav-Ausgabe erschienen war, um die vorräthigen
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Kupferplatten derselben zu benüzzen, von einem Gelehrten dazu schreiben ließ. So entstand der beliebte Abrégé de l'hiftoire générale des Voyages par Mr. de la Harpe. Dieser Mr. de la Harpe, so schön französisch er auch schreibt, war aber nicht der Mann, der uns ein solches Werk wie es der Kenner verlangt, liefern konnte; denn er ist Dichter, nicht Geograph, und die allgemeine Geschichte der Reisen ist kein Werk, das sich so epitomiren läßt. Dennoch wundert es mich, daß man, bei der unbeschränkten Uebersezzungswut unsrer teutschen Autoren, dies Werk nicht übersezt hat. Vermuthlich waren die Kupfer glüklicher Weise Schuld daran. Eben dieses Werk veranlaßte mich, den schon lange gefaßten Gedanken einer zuſammenhängenden, zwekmässig ausgearbeiteten Geschichte der merkwürdigsten Reisen neuerer Zeiten zu nähren, und weiter auseinander zu sezzen. Aber zur wirklichen Ausführung waren mir die Umstånde lange nicht günstig; das Schiksal ver folgte mich; alle Hülfsmittel mangelten mir,
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und ich harrte. Jezt, da meine Lage zwar nicht vortheilhaft, doch besser wurde; da es mir endlich gelang mit grossen Aufopferungen mir die nöthigen Hülfsmittel alle zu erkaufen, da ich wenigstens Ruhe und Muße mir errang, und einen billigen Verleger fand, der meine Bemühungen unterstüzt; jezt wagte ich's, den Plan, den ich so lange mit mir umher trug, zu welchem ich schon so viele Materialien gesammelt hatte, zu entwerfen und dem Publikum vorzulegen. Ich that es, und er fand Beifall. Ich schreibe dies nicht auf Rechnung meines sehr unberühmten Namens, sondern auf Rechnung der lobenswürdigen Wärme unsers Publikums für die geographischen Wissenschaften, und der Ueberzeugung von dem bisherigen Mangel und der Nüzlichkeit eines solchen Werkes. Doch es ist nöthig, daß ich das Wesentlichste meines Planes, den ich in meiner zwoten Ankündigung entwikkelte, hier wiederhole; denn es mögen wohl Manche jene Ankündigung nicht gelesen haben. Ich versprach dem Publikum eine
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Gechichte der merkwürdigsten Reisen, welche seit dem zwölften Jahrhunderte zu Wasser und zu Land unternommen worden sind – die zusammenhängend, durchgehends von mir selbst ausgearbeitet, nicht zusammengestoppelt, unterhaltend geschrieben, kurz gefaßt, und doch vollständig, nach einem bestimmten Plane geordnet, und mit den interressantesten Schilderungen aus der Länder- und Völkerkunde verwebt seyn soll. Hieraus fließt, daß ich nur die merkwürdigesten Reisen in diese Geschichte aufnehme, daß ich diese nicht bloß aus der allgemeinen Geschichte der Reisen aushebe, sondern aus allen vorhandenen Urquellen schöpfe; daß ich Unterhaltung mit Belehrung verbinde, und das Ganze philosophisch darstelle; daß ich die bestmöglichste Ordnung wähle, und so mein Werk nach einem vestgesezten Plane ausführe. Die Ordnung, welche in diesem Werke beobachtet werden muß, ist theils die geographische, theils die kronologische.. Ich reihe nämlich die
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Reifen, deren Geschichte ich beschreibe, zuerst nach den Erdtheilen und Ländern, und dann nach der Zeitfolge zusammen. Mit den Reisen nach und in Afrika wird der Anfang gemacht; dann folgen die Reisen nach Asien, nach Amerika, nach Nordwesten und Nordosten, um die Erde und nach Südindien, und dann die Reisen durch Europa. Das Ganze soll, wie ich hoffe, in 24 Bänden geendigt werden. Vor al’ diesem muß aber auch eine fleissig ausgearbeitete historische Einleitung vorangehen, welche die summarische Geschichte der Reisen der Erdkunde, Handlung, Schiffahrt und Kultur bis auf unsere Zeiten enthält, damit hier der Faden angeknüpft werden könne, an welchem das Ganze fortlaufen muß. Dies ist ungefähr die Summe der Pflichten, die ich mir bei dieser Unternehmung aufgelegt habe, und aus derselben läßt sich einiger Massen auf die Schwierigkeiten schliessen, die sich mir bei jedem Schritte entgegen thürmen. Ich kenne die Grösse, den Umfang meiner Unternehmung; ich kenne die Beschränktheit meiner Kräfte, die durch eine nicht günstige Lage
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noch mehr niedergedrükt werden. Aber ich glaube auch, daß diese Gründe mich berechtigen, auf die Nachsicht, auf die Unterstüzzung des Publikums Anspruch zu machen. Ich darf es sagen, daß ich mit dem beßten Willen einen unermüdeten Fleiß verbinde; daß die Geographie mein Lieblingsstudium ist, dem ich seit mehr als fünfzehn Jahren, alle meine Nebenstunden weihte; daß ich in diesem Fache viel gelesen, viel studiert habe; daß ich auf Kosten meiner Bequemlichkeit und meiner nöthigesten Bedürfnisse, mich in den Stand zu sezzen suchte, mich in meiner Lieblingswissenschaft, und besonders dieses Werk, so viel ich es vermochte, zu vervollkommnen, und daß ich izt in meinem dreißigsten Lebensjahre in dem beßten Zeitpunkte zu einer solchen Unternehmung zu seyn dafür halte. Ich gestehe es aber eben so gerne, daß mir noch sehr vieles mangelt, das eine günstigere Lage mir gewähren würde; daß ich meine Schwäche immer mehr einsehe, je weiter ich in meinem Studium fortschreite, und daß ich zagend befürchte, dies grosse Werk möchte meine Kräfte übersteigen
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Ich kann hier nichts hinzusezzen, als daß ich die Kenner bitte, über das was ich zu leisten vermag, auszusprechen, und die Kunstrichter ersuche, mich durch belehrenden Tadel zurecht- zuweisen. Die wärmste Sehnsucht, in meiner Lieblingswissenschaft mich zu vervollkommnen, entlokt mir diesen Wunsch. Doch muß ich dabei erinnern, daß dieser erste Band nur Einleitung, nur Vorbereitung, nicht selbst Anfang des Werkes ist, und folglich nicht als solcher beurtheilt werden kann; daß er auch für den Lekturfreund nicht so unterhaltend seyn kann, als das Werk selbst, wie ich hoffe, seyn wird. Eine historische Einleitung, welche einen kurzen Ueberblik der ganzen Geschichte der Erdkunde, Handlung, Schiffahrt und Kultur in sich faßte, war, so dunkt mich, zu diesem Werke unentbehrlich, und ich dehnte sie um so weiter aus, da die Einleitung zu der grossen, allgemeinen Geschichte der Reisen so äusserst mager und fehlerhaft, da selbst Robertson's Einleitung (in welcher er die Geschichte der Reisen abhandelt) zu seiner sonst vortreflichen Geschichte von Amerika
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so dürftig ist, und da wir über diesen Gegenstand weder ein ausführliches Werk, noch ein Handbuch besizzen. Daß mir diese Einleitung ungleich mehr Mühe machte, als das Werk selbst; das wird mir Jeder gerne glauben, der die Schwierigkeiten dieses Versuchs kennt, oder der die Zahl der angeführten und von mir benüzten Schriftsteller überblikt. Ich irrte ohne Führer in einem unwegsamen Labyrinthe umher; ich wagte es ein Feld zu bearbeiten, das grossen Theils noch brach liegt; ich gieng einen wenig betretenen Pfad. Denn ich kenne kein Werk, das mir hier im Ganzen hätte zum Leitfaden dienen können. Ich benüzte zwar Sprengel's Geschichte der wichtigsten geographischen Entdekkungen, Schlözers Versuch einer Geschichte der Handlung und Schiffahrt, Anderson's Geschichte des Handels, und andre angeführte Schriftsteller, aber Jeder derselben hatte nur einen einzelnen Theil meines grossen Gegenstandes bearbeitet. Mancher führte mich sogar irre, und ich schöpfte, so viel ich es vermochte, aus Urquellen. Der flüchtigste Ueberblik wird dies beweisen. Ich
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nannte immer meine Gewährsmänner, wo ich es nöthig erachtete; aber, um die Zitate nicht unmäßig zu häufen, nannte ich theils nur solche Schriftsteller, die meinen Lesern näher bei der Hand sind, theils führte ich nur da meine Quellen an, wo sie die historische Wahrheit zu bekräftigen erforderlich waren. Es ist zu bedauern, daß wir noch keine brauchbare, vollständig, zwekmäßig ausgearbeitete Geschichte der Erdkunde, der Handlung und der Schiffahrt haben! Jene allgemeine Geschichte der Handlung und Schiffahrt, die zu Breslau heraus gekommen ist, wurde mir von Kennern, als ein so unzuverlässiges, fehlerhaftes Werk geschildert, daß ich nicht Lust hatte mir es anzuschaffen; dagegen wurde ich durch den vielverspreschenden Titel von Christian Ludolph Reinhold (s) der Weltw. Doktor und freien Künste Magister, Lehrer der Mathematik, Physik und zeichnenden schönen Künſte an dem Gymnasium zu Oßnabrük und Mitglied verschiedener gelehrten ® Gesellschaften – kurze Geschichte der Schiffahrt, den (der) Reiſen um die
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Welt und den (der) vornehmsten Länderentdekkungen in Süden und Norden. Ein Beitrag zur Geographie. Münster und Oßnabrük 1787. 127 Seiten in 8. – getäuscht, und, doch nur um wenige Groschen, geprellt. Denn, zur Warnung muß ich es sagen, dies ganze Werkchen ist die erbärmlichste Kompilazion, die ich je gesehen habe; z. B. von Seite 43. bis S. 113. ist es wörtlich, mit allen Drukfehlern aus Walthers neuester Erdkunde (von S. 309. bis 366.) abgedrukt; folglich sind drei Fünftel des ganzen Werkchens aus einem bekannten Buche gestohlen! So wird die Geschichte der Erdkunde bearbeitet - solche Vorgänger fand ich bei dieser skizzirten Uebersicht! Und so mußte ich, bei all dem, was ich dazu vorgearbeitet hatte, ein volles Jahr auf diese Einleitung verwenden, die doch immer nur Skizze bleibt, und gar sehr (ich fühle es) der Nachsicht der Kenner bedarf! Ich benüzte soviele Quellen dazu, als ich kannte, und als ich benüzzen konnte, und da ich mehr auf das Werk selbst mich vorbereitet
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hatte, als auf die Einleitung, die ich Anfangs nur in wenig Bogen zu drängen dachte, so wurde mir die Bearbeitung derselben um so mühsamer; mir mangelte manche Hülfsquelle, auf die ich oft lange warten mußte, und die Herausgabe des Werkes wurde verzögert. Dennoch füllt izt diese Einleitung den ganzen ersten Band, und leicht hätte sie mehrere anfüllen können. Ich fügte ihr am Ende eine kronologische Uebersicht bei, die mir unentbehrlich schien, und da es bei solchen Werken, die aus einer so grossen Menge von Kollektaneen zusammengesezt werden, gar nicht ungewöhnlich ist, daß man während der Arbeit ein Exzerpt, eine Note verlegt, und erst später wieder findet, oder daß man neue Quellen entdekt, so wird man mir es auch verzeihen, daß ich diesem Bande schon Zusäzze und Verbesserungen beifügte, die ich nicht zu überschlagen bitte. Was nun meine Schreibart, meine Einkleidung, meine Darstellungsart betrifft, darüber erwarte ich das Urtheil des Publikum's,
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um mich in der Folge darnach richten zu können. Der zweite Band, mit welchem das Werk eigentlich erst beginnt, wird nach einer kurzen Uebersicht von Afrika und der neuern Länderkunde dieses Erdtheils, die ersten Entdekkungsreisen der Portugiesen nach Afrika enthalten, und wird diesem ersten sogleich nachfolgen.
Stuttgart, im Merz 1791. Der Verfasser