Fuhrwerke

Wie das Fuhrwerk läuft, 
sagte der Teufel auf dem Kutschbock, 
da hatte er einen Mönch und Junker an- 
und eine Hure vorgespannt.
Klosterspiegel, 43, 21, nach K. F. W. Wander: Deutsches Sprichwörter-Lexicon 

Fuhrwerke dienten zuerst immer dazu, Aufwand und Mühe zu verringern, indem sie den Transport von Lasten (»Fuhr«) vereinfachten. Als Geräte umfassten die Fuhrwerke bis zum 20. Jahrhundert: Schleifen, Schlitten, Karren, Wagen, Kutschen, Droschken; siehe die Liste der internationalen Begriffe für Karre, Wagen, Automobil. Idealtypisch vereinfacht wurden vor der Erfindung von selbstangetriebenen Fahrzeugen (Eisenbahn, Automobil) folgende Möglichkeiten genutzt:

Transportmittel Räder Achsen Antrieb Konstruktionsprinzip
Stangenschleife 0 0 (1 Kufe) Mensch, Hund, Zugtiere zwei lange Äste mit Querästen
zu einem Dreieck gebunden
Schlitten 0 0 (2 Kufen) Mensch, Hund, Zugtierezwei lange geformte Äste
als Kufen unter einem Boot (Behälter)
Schubkarre 1 1 Mensch eine Stangenschleife mit einem Rad
ein Korb mit Achsgabel, Rad und zwei Stangen
Dreieckswagen 2 1 Mensch, Hund, Zugtiere eine Stangenschleife mit einer Achse und zwei Rädern
Karre 2 1 Mensch, Hund, Zugtiere ein Behälter
auf einer Achse mit zwei Rädern
Wagen 3 2 Zugtiereeine Stangenschleife
auf zwei Achsen mit 3 Rädern
Wagen 4 2 Zugtiereein Schlitten auf zwei Achsen mit 2×2 Rädern

Sie waren Teil des Fuhrwesens (heute: Verkehrssystem), also der Personen- und Güterbeförderung und bedurften eines Fuhrmannes, der das Fuhrwerk in den ausgefahrenen Gleisen führte oder sonst die beste Fahrbahn suchte. Von 3.500 vor bis etwa 1800 nach Christus wurde ein System optimiert, bestehend aus Fuhrmann, Fuhrwerk, Naturstraße und Zugtier. In alten Mythen reisen Götter häufig in Fuhrwerken oder wurden getragen, siehe beispielsweise die Transportarten der indischen Gottheiten.

Seit dem Mittelalter hatte die Post das umfassendste Verkehrssystem aufgebaut; sie transportierte Briefe, Pakete und Personen. In Paris findet sich 1657 die älteste öffentliche städtische Personenbeförderung: ein de Givry setzte dazu zweiräderige, viersitzige Pferdewagen ein 1). Nachdem zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Landstraßen (Chausseen) systematisch verbessert wurden, passte die Post ihre Wagentypen dafür an und verwendete 2)

Wagenart Sitze Straßenart Zugtiere
Postwagen
ohne Langbaum
9 Chausseen 3/4-spännig
Postwagen
mit 2 Coupés
6 Chausseen 3-spännig
Postwagen
»Berline«
6 überwiegend Chausseen 2/3-spännig
Postwagen
Cabriolet mit Langbaum
6 nicht chaussierte Straßen 3-spännig
Postwagen
ohne Langbaum
4 Chausseen 2-spännig
Postwagen
mit Langbaum
4 nicht chaussierte Straßen 2/3-spännig
Postwagen 2 Chausseen 1/2-spännig
Omnibuswagen mit Coupé9 Chausseen, lokal 3-spännig
Omnibuswagen ohne Coupé 6 Chausseen, lokal2-spännig

Bevölkerungswachstum, Industrialisierung, Agrarrevolution führten zur Überlastung der Verkehrswege; Schienenwege und Kanäle boten nur begrenzt Ersatz. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Transportmethoden revolutioniert. Die Dampfmaschine ermöglichte die Eisenbahn 3), die Feinmechanik das Fahrrad und der Verbrennungsmotor den Verzicht auf Zugtiere (»Auto«-mobil).

Der nachfolgende Systemwechsel erforderte grundlegende Innovationen: eiserne Achsen mit Wellen, Gummireifen, bessere Bremsen, eine gelenkte Vorderachse, neue Antriebe, Schmierstoffe, anderer Straßenbau, Normierungen … Erstmals befasste man sich systematisch mit den dazu gehörigen Grundlagen 4) Die miteinander verwobenen Vorgänge und Beziehungen beschreibt sehr ausführlich Edith Saurer 5). Die Zeitleiste Geländewagen zeigt deutlich, welche Innovationen und Bedürfnisse die technische Entwicklung prägten. Das Automobil wurde vom Transportmittel zum Objekt der gesellschaftlichen Teilhabe als mobiles Selbst.

Deutsch Englisch Französisch Spanisch Niederländisch
Fuhrmann carrier
cartman
waggoner
voiturier
roulier
charretier
cocheros
carreter
teamster
voerman
Fuhrwerk carriage
conveyance
voiture
voiturage
wagen
Pferdebahn wagonway, horsecar Tranvía de tracción animal Paardenspoorweg
2)
Heinrich von Stephan
Geschichte der Preußischen Post von ihrem Ursprunge bis auf die Gegenwart.
Nach amtlichen Quellen. Decker Berlin 1859
zit. nach: Peter Paul Dahms
Die Anfänge des Personenverkehrs per Eisenbahn in Preußen 1835 - 1860
Dissertation Berlin 2015
3)
Der Dampfwagenreisende auf der Leipzig-Dresdner Eisenbahn
Verlag J. Weber Leipzig 1838
4)
E. Kröncke
Versuch einer Theorie des Fuhrwerks mit Anwendung auf den Straßenbau
Gießen 1802
5)
Edith Saurer
Straße, Schmuggel, Lottospiel …
Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 1989