Säulen des Herakles

Dort, wo Afrika von Europa aus bei klarem Wetter mit bloßem Auge zu sehen ist, führt die Straße von Gibraltar vom Mittelmeer hinaus auf den Ozean. Die höchsten Punkte auf beiden Seiten - der Felsen von Gibraltar (früher: Berg Kalpe) und der Jebel Musa in Marokko (oder mons Abila in Ceuta) - wurden in der Antike die Säulen des Herakles genannt, zuvor hießen sie bei den Phöniziern die Säulen des Melkart, dem Hauptgott (Baal) der phönizischen Stadt Tyros, der auch in Karthago und Cadiz als Schutzgott der Seefahrer verehrt wurde.

Herakles und Melkart sind unterschiedliche Namen für dieselbe Vorstellung, beide werden oft als bärtige Männer mit Keule dargestellt, erscheinen als Heros/Held und Wilder Mann. Als Attribut erscheinen auch zwei Säulen oder Steine 1). Über die ihnen zugeschriebenen Taten und Fähigkeiten erscheinen sie als Ahnherr von Expansion und Kolonisation über das Meer: sie bezwingen die wilden Tiere, besiegen wilde Völker und weisen den Weg (Orientierung, Navigation) durch die Wildnis und über den Ozean.

Die Karten des Altertums zeigen eine geschlossene Welt rund um Mittelmeer (lat. mare nostrum, Mediterraneum) und Schwarzes Meer, die Oikumene, das »Bewohnte Land«, mit nur einer Ausfahrt zwischen Marokko und Spanien. Vorbei an den Säulen des Herakles verließen die Seefahrer den Erdkreis (orbis terrarum) und wählten den Weg in die grenzenlose Unendlichkeit des weltumfassenden Oceanos, fort von der Sicherheit des nahen Landes. Als Ende der Welt (finis terrae) erschienen damals: