Verhalten unterwegs
Dieser Wischi-Waschi-Begriff, der uns allenthalben begegnet, weil wir allenthalben immer irgendwem oder irgendwas begegnen, dem gegenüber wir uns `verhalten´, bezeichnet seinem Wortursprung nach ein verstärktes `halten´, also an-halten, fest-halten, zurück-halten und verbleibt damit defensiv an dem, was man hat: man verschließt sich gegenüber Neuem, Fremdem, Anderem und hält fest an Vertrautem, Bekanntem. Verhalten ist diesem Wortursprung nach also sehr persönlich, konservativ, schützend im Gegensatz zum aktiven Benehmen.
Die Wissenschaft verwendet den Begriff dagegen objektiviert. Die Verhaltensbiologie erkennt `Verhalten´ bei allen Lebewesen, indem sie sich abhängig von ihrer Umgebung verändern: bewegen, Laute äußern, den Körper in bestimmter Weise halten, Gerüche oder Pheromone freisetzen - also Reaktionen, die wiederum in der Umwelt zu Reaktionen führen.
Auch das Erstarren ist ein Verhalten, ebenso der direkte Blickkontakt - nicht nur Tiere reagieren, wenn sie sich beobachtet fühlen. Der starre direkte Augenkontakt ist der erste Schritt zur Agression.
Im Alltag passen wir unsere Verhaltensmuster sehr flexibel an, etwa als
- Verhalten im öffentlichen Straßenverkehr;
- Verhalten am Arbeitsplatz;
- Verhalten in der Familie;
- Verhalten in der Öffentlichkeit;
- Verhalten gegenüber Fremden usw.
Reisende verlassen diese Umgebungen, nehmen jedoch ihre Verhaltensmuster mit, also ergeben sich zwei Szenarien:
- Die nicht-vertraute Umgebung löst Befremden aus, führt zu Unsicherheit und damit zu passivem Ver-halten (Erstarren). Die eigenen Bedürfnisse bleiben jedoch im Mittelpunkt, und die nicht-vertraute Umgebung soll sich anpassen (Akkomodation).
Für sein Gegenüber ist der Reisende ein Fremder, der ebenso Unsicherheit oder Neugier auslösen kann. Die Akkomodation stößt ebenso auf Grenzen der Bereitschaft wie die Assimilation. Die Begegnung überführt die Verhaltensmuster auf beiden Seiten in ein Gleichgewicht, das durch Nähe und Dauer bestimmt ist. So gesehen gibt es kein `richtiges´ Verhalten, sondern nur ein belastbares Gleichgewicht, solange der Interessenausgleich stimmt. In der Regel werden alle Reisenden (Touristen ebenso wie Globetrotter) akkomodieren und assimilieren.