Diogenes Laertius
Lives of Eminent Philosophers 6.2. Diogenes
Ich möchte Weltbürger sein, überall zu Hause und, was noch entscheidender ist, überall unterwegs. Erasmus von Rotterdam (1469-1536)
Der Begriff des κοσμοπολίτης (kosmopolitês) wurde in der griechischen Antike geprägt aus κόσμος (kosmos) und πολίτης (polítes) und kann anekdotisch 1) zurückverfolgt werden bis zu Diogenes von Sinope
(ca 403 - 323 v. Chr.), dem Kyniker, der in einer Tonne lebte und Alexander den Großen
bat, er möge ihm aus der Sonne gehen.
Als Kosmos wurde im engsten Sinne die staatliche Ordnung in den griechischen Stadtstaaten (Poleis) bezeichnet 2), als polit die darin ansässigen Freien. Der Begriff des Weltbürgers geht darüber hinaus, zumal wir unter *Welt heute etwas anderes verstehen. Neu war daran, dass sich Diogenes
nicht als Teil eines Clans oder Stammes definierte, sondern als Teil einer größeren sozialen Ordnung, deren Angehörige nicht blutsverwandt waren, sondern dem gemeinsamen Selbstverständnis den Vorrang gaben.
In erweiterter Form wurde daraus im Humanismus der Weltbürger, wie ihn Erasmus
verstand. Für die einen bedeutete dies, dass Heimat überall sein kann, für die anderen war es die Fähigkeit, sich die Fremde vertraut zu machen, überall leben zu können. Das berührt die Themen Aufklärung, Bildung(sreisen) und SAE (Selbstorganisation, Autopoiesis, Emergenz).
Weltbürger zu sein war modern im Zeitalter der Entdeckungsreisen, als die Welt in der ersten Globalisierungswelle immer größer wurde. Schließlich waren immer mehr Bürger unterwegs: Seeleute, Kaufleute, Forscher, Abenteurer, Schriftsteller, Philosophen, Soldaten und Politiker.
Deutschland und England bilden dabei einen interessanten Gegensatz, der wesentlich durch ihre Lage geprägt ist. Deutschland mit (heute) neun Nachbarländern 3) ist durch seine zentrale Lage in Europa ein Durchreiseland: Die Welt kommt hinein, ob man das will oder nicht. Vielleicht auch daher singt man hier: »Muss i denn zum Städtele hinaus?« und empfiehltz stattdessen: »Bleibe im Lande und nähre dich redlich«.
England ist durch seine Insellage einerseits isoliert, andererseits als Seefahrernation und Empire mit der gesamten Welt stärker verbunden als Deutschland es je war: »Britannia rules the Waves«. Für einen deutlich höheren Anteil der Bevölkerung war es normal, eine berufliche Karriere im Empire anzustreben und sich damit für einen Platz irgendwo auf der Welt zu entscheiden.
Gefährlich wurde es immer dann, wenn aus dem Kosmopolit ein Kosmopolitismus wurde, der wie alle -ismen ideologisch aufgeladen ist und sich damit von seiner Ursprungsidee entfernt. Als philosophisches Konzept entwickelte er dann politische Wirkung, etwa als Gegenentwurf zu Nationalismus oder Provinzialismus. Im Sozialismus galten Weltbürger als entwurzelte Kosmopoliten, die das System gefährdeten und man ersetzte ihn durch den »proletarischen Internationalismus« als Widerpart zum Nationalismus. Auch der Multikulturalismus der letzten Jahrzehnte steht mit ihm im ideologischen Wettstreit 4).
Kosmopolitismus lässt sich also je nach Reichweite und Perspektive definieren 5) als
Globetrotter müssen also zumindest hinsichtlich ihrer Handlungskompetenz auch Kosmopoliten sein. Sloterdijk
meint, solche Art von Humanismus sei »Tribalismus für Leute im Aussendienst« 6), weil der einsame Reisende in der Fremde versuche, sich wieder eine »Kleingruppen-Umwelt«, also einen Ersatz-Stamm, zu schaffen 7). Ich bezweifle das. Migranten und Expats umgeben sich gleichermaßen mit Ihresgleichen, Integration ist mühsam. Auch Reisende jubeln unterwegs, treffen sie Ihresgleichen. Bei nach langer Abwesenheit heimgekehrten Globetrottern und Expats wiederum überwiegt eher das Integrationsproblem - sie sind fremd geworden. Was Wunder, wenn bei Treffen eine Art »Wagenburgen-Mentalität« zu beobachten ist, weil man sich unter Seelenverwandten fühlt. Eine Reiseform wie Couchsurfing ersetzt den Kosmopoliten durch den Kosmokonsumenten.
Das „small-world-phenomen“ basiert auf der These, dass zwei beliebige Menschen auf der Erde über durchschnittlich sechs Kontakte (5−7) miteinander verbunden werden können. Experimentell lässt sich das bestätigen. Nun sind offensichtlich die meisten Menschen nicht weltweit, sondern eher lokal vernetzt. Es genügt jedoch, wenn auf jeder Seite lokal eine Person über ein überregionales Netzwerk verfügt.
Lena Laube
, Andreas Herz
Sebastian Schnettler
Canzler, W., Kaufmann, V., & Kesselring, S.
(Hg.)Robin Cohen
, Steven Vertovec
(Hg.)Derrida, Jacques
Treml, Alfred K.
Comenius
, Kant
und Luhmann
lernen können.Szerszynski, B.
, Urry, J.
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Diogenes Laertius
Rémi Brague
Kenan Malik
Jeremy Waldron
Peter Sloterdijk
Nils Erich, Johannes Schneider