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wiki:marron

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Marron

Die Bezeichnungen für Träger und Führer (marucci; marones, marronai, marronnes, mariniers, marranes; mazanes u.a.) über die Alpenpässe in der Bergwelt um das Aostatal und den Großen St. Bernhard (Monte Jovis) erscheinen in abweichenden Schreibformen. Dies deutet darauf hin, dass deren Bedeutung schon lange nicht mehr bekannt war. Daraus lässt sich auf ein hohes Alter des Begriffes bereits im Mittelalter schließen:

  • 925 erwähnt Odo von Cluny wiederholte Alpenüberquerungen des Grafen Gerald von Aurillac über den Pass am Großen St. Bernhard, der sich dabei einheimischer Träger und Führer bediente, Marucci genannt und als Siedler in den Alpen bezeichnet (Alpium incolae):
    Ipsi quippe Marrucci; rigentes videlicet Alpium incolae ; nihil quastuostus estimabant, […] Geraldi per juga mentis fouine, transveherent.
  • Derselbe Odo überquert die Alpen 946 und nennt seine Träger und Führer nun Marrones:
    „Secus illum locum, [=Inter Burdonum Alpes] habitant quoddam genus hominum, qui `Marrones´ vocantur: eo arbitror ex Maronea, Aquilonari provincia, illud nomen traxisse originem. Ii, accepta mercede, prabuerunt ei ducatum : ficut et aliis facere consueverunt : quia aliter, hiemis tempore, nemo perdillos Montes volet transire.“
  • „marones enim appellantur viarum praemonstratores1)
  • „Ipsa enim Joviana pericula quæ vix unquam constat fuisse pervia, quæ etiam mortis ruinam transeuntibus semper minantur, nullius ut dicitur marronis subvectus auxilio non pedetemtim, ut mos est illius itineris, perrexisse sed potius cucurrisse“ (1063) 2))
  • Diese werden in anderen Quellen auch 1063, 1127, 1129 und später noch genannt 3). Explizite Hinweise auf Felle, Bergstöcke und Nagelschuhe zeigen deren aufgabenspezifische Ausrüstung an.
  • Die Laienbrüder der Hospize auf den Alpenpässen, deren erstes 1050 am Großen St. Bernhard entstand, wurden bis weit in die Neuzeit „maronniers“ genannt 4).
  • Maronniers bezeichnet im Altfranzösischen allgemein die `Führer´ 5).
  • „Les gryphons et marrons des montaignes de Savoye, Daulphiné et Hyberborées, qui ont neiges sempiternelles, seront frustrés de ceste saison“ 6).
  • „Alors, et alors seulement, les marrons de Novalaise prennent une autre figure, à l’image de la montagne. On voit ses marrons l’aider, lui expliquer ce qu’on trouve en montagne“ 7)

Nach allen Quellen sind Marrones also Bergführer in den Westalpen. Gedeutet wird der Name

  • als Herkunftsbezeichung aus „Maronea in den nördlichen Provinzen“, ein ehemaliges Bistum in den Rhodopen.
  • nach der Farbe analog zu Maronen (Esskastanien) 8)
  • nach einem Werkzeug, von lat. `marra´, einer Art Spaten 9)
  • als abgeleitet von `mora´ > Mauren, also Nachfahren der Sarazenen, die ab den 920er Jahren im Wallis und ab etwa 930 in Churrätien auch Alpenübergänge besetzten und Reisende überfielen 10).
  • als abgeleitet vom spanischen cimmaron `wild, ungezähmt´ aus altspanischem cimara `wild in den Bergen leben´, auf welches das lateinamerikanische Wort maroons für entlaufene Sklaven zurückgeht.
  • als Ableitung von mora, einem Steinhaufen (→ Steinmann), verwandt mit Moräne 11)
  • Eine detaillierte Übersicht zu Quellen und Deutungsansätzen bietet das französische Wictionary zum Stichwort marron. Als wahrscheinlichste Wortwurzel wird dort auf das präromanische (altligurische) *marr `Stein, Fels´ verwiesen.
  • „Mercurius Marunus“ lautet eine im Alten Badener Schloß bis 1712 eingemauerte Inschrift, die bereits Haller 1817 12) deutete als „Marones appellantur viarum præmonstratores“ und kommentierte: „Daher unstreitig der heutige Name Marrons in den Walisera und andern Gebürgen, welcher den Wegweisern, Führern und Maulthiertreibern eigen ist.“ 13).
  • Diefenbach bezieht sich auf „Mercurius Marunus“ als dem `Wegweiser´ 14) und deutet 1839 marron mit ligurischem maro `Berg´, das verschiedentlich als Volksbezeichnung fruchtbar war, und nimmt an, dass aus Sicht der Reisenden die Bedeutung von `Bergbewohner´ auf `Bergführer´ übergegangen sei und stellt keltisches maer `Führer´ daneben. Zahlreiche Belege dafür finden sich auch im Tiroler Raum 15), auch das Marterl wird so zur Steinsäule.
1)
Rudolfus Sancti Trudonis, 1070-1138
Witaker datiert den Hinweis auf 560 in: Whitaker, John. 1794. The course of Hannibal over the Alps ascertained. London: John Stockdale. Bd.2: 90-93.
2)
Oehlmann (loc. cit. p. 252, n. 5) zitiert Petri Damiani Gall. Profectio' by one Kadolaus of Parma (in Mai's • Nova collectio,' vi. b. p. 198
3)
Arno Borst
Alpine Mentalität und europäischer Horizont im Mittelalter.
in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees 92 (1974) 1-46 S. 23 ff. [Online
4)
Donnet, André: Saint Bernard et les origines de l'Hospice du Mont-Joux: (Grand-St-Bernard). =Th. Lettres Genève, 1942 No. 98. 163 S. St-Maurice 1942: Impr. de l'Oeuvre St-Augustin
5)
Dú Cange, ad verbum, Ménage, Dict. étym., éd. Jault, II, 180;
Francisque Michel, Histoire des races maudites, 1847, II, p. 96. Maronnier veut toujours dire marinier ou matelot, ainsi Brunetto Latini dans son passage sur la boussole : « Et por ce nagent li maronier aux estoiles et à lor ensengne qu'il usent, que l'on apele tramontaine » ; ch. 114, fo ss verso, n° 7066; le n° 7067 donne « li mariniers »
6)
François Rabelais, 1533, Pantagrueline prognostication: Du Printemps
7)
Renaud de Bellefon: Histoire des Guides de Montagne: Alpes et Pyrénées, 1760-1980. Pau: Cairn; Toulouse: Milan, 2003. S.123
8)
Ménage, Gilles: 1694. Dictionaire etymologique, ou, origines de la langue françoise. Avec les origines françoises. S. 484 ausführlich über `Maronner, Marrons´: aus mailändischem maronne (marrón = negro, ocre) oder als Herkunftsbezeichnung aus „Maronea, Aquilonari provinci“.
9)
Coolidge, W.: Swiss travel and Swiss guide-books. XII, 336 S. London, 1889, zieht (S. 158-160) zahlreiche Quellen heran, zitiert als älteste Quelle eine um 560 n. Chr. Zum Spaten siehe K. D. White: Agricultural Implements of the Roman World. Cambridge: Cambridge University Press 1967, S. 159-160.
10)
Montaiglon, Anatole de: Recueil de poésies françoises des XVe et XVIe siècles: morales, facétieuses, historiques. Paris : Jannet, 1856, S. 117: deutet diese als Nachkommen der Sarazenen und bezieht sich auf Rabelais: „les Gryphons et Marrons des montaignes de Savoye, Daulphiné…“.
K. Versteegh: The Arab Presence in France and Switzerland in the 10th Century. in: Arabica 37 (1990) 359-388.
Hannes Steiner: „… da sie behender als Gemsen über die Berge dahinliefen. Sarazenen im schweizerischen Alpenraum. in: Bündner Monatsblatt 2009, 471-498
11)
Freshfield, Douglas William: The pass of Hannibal. Alpine Journal 1883, 267-300. [London]: Alpine Journal.
12)
Haller, Franz Ludwig von: Historische und topographische Darstellung von Helvetien unter der römischen Herrschaft. Bd 2 Bern: Typographische Gesellschaft. S. 474
13)
Adelung, Johann Christoph: Mithridates … Bd. 2 Berlin 1809, S. 63-64.
Nachweis der Inschrift zuerst bei Bluntschli, Hans Heinrich: Memorabilia Tigurina. Das ist: Kurze, nach alphabetischer Ordnung eingetheilte Erzellung der merkwürdigsten Sachen der Statt und Landschaft Zürich. 1742; dann u.a. bei Steiner, Johann Wilhelm Christian: Codex inscriptionum Romanarum Rheni 1. Enthält die römischen Inscriptionen des oberrheinischen Gebietes. Darmstadt 1837: Nr. 527, korrigiert in Bd.3 1841 als Nr. 2086:
PD . . .
MERCVRIO
MARVNO
. . NS.
P.M. . . RP
. . . .
. . . .
14)
Diefenbach, Lorenz: Sprachliche Documente zur Geschichte der Kelten zugleich als Beitrag zur Sprachforschung überhaupt. Stuttgart 1839: Imle. Nr. 99, S. 66-67
15)
Sulzer, Josef Georg. 1855. Dell'origine e della natura dei dialetti comunemente chiamati Romanici messi a confronto coi dialetti consimili esistenti nel Tirol. Trento, 1855. Nr. 386 S. 168 ff.
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