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Tragstange

Die Last in den Händen zu tragen behindert die Arm- und Beinfreiheit des Trägers, daher bietet sich das Tragen auf dem Kopf als einfachste Tragetechnik an und ist in vielen afrikanischen Ländern bis heute verbreitet, während das Tragenetz (z.B. bilum in Papua-Neuguinea) die Traglast auf die Stirn, die Schulter oder dem Rücken legt.

Ein assyrisches Relief zeigt gleich mehrere Tragetechniken nebeneinander, auch Tragstange und Tragjoch 1). Die Tragstange (seltener: Tragstecken, 1631: Tragprügel, Tragholz; ndd. Dracht, Reedschop, Peed) 2) bildet technisch den nächsten Schritt, da sie die Last auf die Schultern des Trägers legt und vom Körper fernhält. Dazu muss sie ergonomisch geformt sein und Befestigungsmöglichkeiten für Behälter (Sack, Beutel, Korb, Rohr > Eimer) bieten. Das altgriechische `ζυγός zygos´ 3) umfasste mit den Bedeutungen `Gabel, Tragstange, Schultertrage, Joch, Bügel´ eine ganze Reihe von Tragwerkzeugen.

  • Die einfache Tragstange ist höchstens körperlang und dünn; sie legt die Belastung eine Schulter und verteilt zwei gleich schwere Lasten vor und hinter den Körper. Voluminöse Lasten können schnell transportiert werden. Technisch entscheidend ist dafür das Biegemoment des Materials. In Europa wurde besonders die Esche (Fraxinus excelsior, engl. ash) verwendet, wegen ihrer Dauerhaftigkeit, Elastizität, Biegsamkeit, Festigkeit, Splitterfreiheit; in Asien wurden Bambusstangen hergestellt.
    • Die Landschaft ist voll von Trägern, die durch ihre charakteristischen Tragstangen zu einem federnd-trippelnden Lauf gezwungen sind. Frauen tragen dagegen ihre Lasten auf dem Kopf …
      Ruben, Walter: Eisenschmiede und Dämonen in Indien. Ergebnisse einer Reise, die mit Unterstützung des Forschungs-Institutes für Kulturmorphologie in Frankfurt a.M. und des Türkischen Unterrichtsministerium durchgeführt wurde. Mit 60 Abb. auf 33 Taf. XX, 306 S. Leiden 1939: Brill.
  • Das massive, aber kurze Tragejoch belastet den Nacken und beide Schultern, die beiden gleich schweren Lasten hängen seitlich des Körpers. Technisch entscheidend ist dafür der ergonomische Formschluss im Nackenbereich: Hebräisch mōtā `Traggestell, Joch´ 4); Rum. coácă, obránită, obrámnită `Tragjoch der Wasserträger’, poln. Koromysło, russ. Коромы́сло. Die Last kann schwerer sein, weil sie gleichmäßig auf dem Körper liegt.
  • Die furca (lat.), also eine Tragstange mit endständiger Gabel (ahd. gaffel) für das Reisegepäck der römischen Legionäre wurde senkrecht getragen. Die Y-Form verbindet die Tragstange mit der Deichsel. Technisch entscheidend ist dafür die bruchfeste, also natürlich gewachsene Gabelform. Solche gestörten Wuchsformen heißen Zwiesel (z.B. im 12. Jh.: furca zvisela, furgca haggo vel zuisilla). Die einzige bildliche Darstellung der Furca auf der Trajanssäule in Rom lässt Einzelheiten nicht erkennen, stellt jedoch das Gepäck über den Köpfen der Marschierenden dar.
    • Michel Feugère
      Weapons of the Romans.
      Tempus, 2002. Online
  • Die Tragstange für zwei Träger ist etwa vier Meter lang mit etwa zehn Zentimeter Durchmesser. Sie wird für größere Lasten verwendet (syryk-hammaly, Lastenträger in Konstantinopel, die Tragstange türk. syryk, rum. păringă), insbesondere im unwegsamen Gelände und wenn es keine Lasttiere gibt.
  • Verbunden mit einer Hängematte (engl. hammock) ermöglicht sie den Transport von Reisenden und kommt aus Haiti, dann über den karibischen Raum nach Madeira und an die westafrikanische Küste:
    • »An einer 2 Klafter langen, etwas elastischen Stange, welche zwei starke Männer auf den Schultern tragen, ist eine Hängematte angebunden, in der der Reisende ganz bequem liegt …« 5)
    • 1666/1667 reisten zwei Patres in den Kongo und beobachteten: „At our landing we met a widow carry'd in a net with a pole through it by two black slaves“ 6).
  • Im indischen Himalaya: „ein Dandy … ist ein Teppich, der von einer Tragstange hängt wie eine Hängematte“, vergleichbar mit einem Reisestuhl und vier Trägern als Kago in Japan und als Dschampan in Südchina und mit fließendem Übergang der Bauarten zum Palanquin 7).
  • Zwei Tragstangen mit vier Trägern für schwere Lasten oder für Sänften (engl. litter, auch: Chaise, Palanquin).
    • Haafner, Jacob
      Reise in einem Palankin. Erlebnisse und Begebenheiten auf einer Reise längs der Koromandelküste Südindiens in den Jahren 1785 und 1786.
      Aus dem Niederländischen übersetzt und herausgegeben von Thomas Kohl. 577 S. Ill., [Mainz] [Johannes-Gutenberg-Buchh. Kohl] 2003
  • Zwei Tragstangen in A-Form verbunden werden zur Schleife als Transportmittel für Zugtiere; die beiden letzten Varianten bilden den Übergang zu den Fuhrwerken im indoeuropäischen Raum.

Literatur

  • Arnim, B. von
    Slavische Sternsagen und Sternnamen. 1. Die Vorstellung: Mädchen mit Eimer und (oder) Tragstange.
    Zeitschrift für Slavische Philologie, 18.1 (1942) 86–104, Universitätsverlag Winter, Online.
  • Basler, A.
    Tragen mit Hilfe einer Stange.
    Arbeitsphysiologie 2 (1929) 76–84. Online
  • urdravidisch *karai ´Tragstange´ siehe:
    Berger, Hermann
    „Buchbesprechung“: Decipherment of the Proto-Dravidian Inscriptions of the Indus Civilization.
    A first announcement“ und“ Progress in the Decipherment of the Proto-Dravidian Indus Script
    .
    Asko Parpola, Seppo Koskenniemi, Simo Parpola, Pentti Aalto. Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 120.2 (1970) 420-421.
  • Cook, J. R.
    Crucification in the Mediterranean World.
    (= Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 327 ) XXIV, 522 S. Tübingen Mohr Siebeck 2015.
    Kreuz und gabelförmige Furca dienten in der römischen Antike als Folter- und Hinrichtungsinstrumente, die dazugehörigen Begriffe sind oft nicht eindeutig, siehe das Kapitel furca S. 37 und furcifer S. 44, abgrenzend zu patibulum and stauros.
  • Kenntner G.
    Gebräuche und Leistungsfähigkeit des Menschen im Tragen von Lasten.
    Biogeographica 3 (1973) Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-010-2704-5_1
  • Reise mit der Tragstange [in Madagaskar].
    in: Bilder-Tafeln zur Länder- und Völker-Kunde mit besonderer Berücksichtigung der evangelischen Missionsarbeit. Herausgegeben von dem Calwer Verlagsverein. Calw & Stuttgart. 1883: Tf. 114, 2.
1)
Brunner, Hellmut: Ein Assyrisches Relief mit einer ägyptischen Festung. Archiv für Orientforschung (AfO)/Institut für Orientalistik, 16 (1952) 253–62, Online, insbes. Fußnote 52
2)
engl. Carrying pole, dän. åg, norw. ok, altengl. geoc, lat. jugum, altgr. asilla ἄσιλλα Bild (Lehnwort? axilla?), Ceylon pingo, indonesisch pikulan siehe Stab
3)
aus `zusammenbinden´ Bertram, Georg: A. ζυγος in LXX, Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament ThWNT 2, 898-900: B. ζυγος im NT, ετεροζυγεω, ThWNT 2, 900-904, 904-908
4)
abgeleitet von `schwanken´; 1Kön 8,8; Mota: 3Mos.26,13; Ez.34,27; Mot (größere Tragstange): Nah. 1,13; Traggestell 4Mos.4,10,12
5)
Hochstetter, Ferdinand von: Madeira, ein Vortrag gehalten am k. k. polytechnischen Institute, den 22. December 1860, von Dr. Ferd. von Hochstetter. Wien 1861: W. Braumüller. S. 30-31 Bescheibungen von Trägern
6)
Guattini, Michele Angelo, Dionigi de Carli: Viaggio del Padre Michael Angelo de Guattini da Reggio, et del P. Dionigi de Carli da Piacenza Capuccini, predicatori, & missionarii apostolici nel regno del Congo: descritto per lettere continuate fino alla morte, dal porto d. Genoua alla citta di Loanda dal sudetto P. Guattini al suo dilettiss. Padre in Reggio : con una fedele narrativa delli paesi del Congo del detto P. Diongi, & col suo ritorno in Italia. Bologna 1674: Per Gioseffo Longhi. Zitiert nach der englischen Ausgabe S. 659
7)
Hesse-Wartegg, Ernst von Indien und seine Fürstenhöfe. 484 S. Stuttgart, 1890.
Bourne, Samuel: Sieben Jahre Indien die Photographien und Reiseberichte von Samuel Bourne ; 1863-1870. München 2000: Schirmer-Mosel., S. 254 mit Abb.
Longmore, T., William A. Morris: A manual of ambulance transport. London 1893, s. „Conveyances borne by men“ unterscheidet Hammocks, Dandies, Strechers und zeigt Beispiele und Bauarten aus aller Welt mit Konstruktionshinweisen: Ashanti cots, Himalayan dandy, Lushai dandy, Amoo der Maori (Abb. 36), S. 122-163
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