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Lübke-Englisch
Jargon für die interlineare Wort-für-Wort-Übersetzung von Phrasen, bei der ebendiese Phrase ihren Sinn verliert oder dieser entstellt wird. Sprachtheoretisch verknüpft sind *Anglizismen und Schein-Anglizismen sowie Falsche Freunde. Die Süddeutsche Zeitung beobachtet neuerdings ein »Reverse-Lübke-English« 1).
Beispiele
English for runaways | Englisch für Fortgeschrittene |
What shalls | Was soll's |
Equal goes it loose | Gleich geht's los |
I understand only railway station | Ich verstehe nur Bahnhof |
You are heavy on wire | Du bist schwer auf Draht |
You can say you to me | Du kannst Du zu mir sagen |
I break together | Ich brech' zusammen |
Begriffsentstehung
Heinrich Lübke
(1894 - 1972) war deutscher Bundespräsident (1959 - 1969) und wurde berühmt für sein unbeholfenes Auftreten 2)
- Die ihm zugeschriebene Formulierung »Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger« bei einem Besuch in Liberia ist allerdings nicht zu belegen.
- Und auch »Equal goes it loose« wurde ihm vom Spiegel zugeschrieben, Quelle wurde die »Bonner Fama« genannt 3). Die darauffolgenden Leserbriefe in Spiegel 20 (1967) S. 22-23 unter der Überschrift Heavy on wire (Hartmut Krist) zeigen, welchen Spass die Leser hatten: Thunderweather, that overrushed me (Lothar Büchmann), then have I equal the nose full - painted full (Ernst-Enno Janssen). Der gesamte Vorgang inklusive Leserbriefe war jedoch eine Kampagne der Spiegel-Redaktion, schreibt
Martin Rasper
mit Bezug 4) auf den Spiegel-RedakteurHermann Gremliza
5)
Der Begriff Lübke-Englisch findet sich erstmals 1968 im Spiegel, der am 29.01.1968 Walter Scheel zitiert, als dieser Juliette Gréco ankündigte: »„Ich werde Ihnen jetzt in Lübke-Englisch zuprosten.“ Scheel toastete: „Upon the women!“« 1972 benutzte der Sprachdienst, die Zeitschrift der Gesellschaft für deutsche Sprache e.V., den Begriff für die Formulierung »What gives?« (Was gibt's?)
Wirkung
Lübkes Eigenart 6) diente wohl mehr als Projektionsfläche für die weit verbreitete Unbeholfenheit mit einer Fremdsprache. Das griffige »Lübke-Englisch« wurde jedoch zum festen Begriff und bereitete den fruchtbaren Boden für zahlreiche komische, karikierende und kabarettistische Einfälle etwa bei der Zeitschrift Pardon oder dem Kabarett Die Stachelschweine sowie zahlreiche Humorbücher, die sich anscheinend seit Jahrzehnten gut verkaufen weil man herzlich über Andere lachen darf.
Verweise
siehe auch:
* Sprachen
* Fachbegriffe
Otto Waalkes
: English for Runaways (Sketch)
SPIEGEL-ONLINE-Kolumne »Fluent English«
Es gibt zahlreiche unterhaltsame Bücher zum Thema, etwa:
Heinz G. Heygen, Peter W. Küttner English for runaways München : Goldmann 1990 156 Seiten
Peter Littger The devil lies in the detail Kiepenheuer & Witsch GmbH 2015 309 Seiten
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Rudolf Morsey
: Heinrich Lübke: Eine politische Biographie. Schöningh 1996, S. 385Hermann L. Gremliza
: Gremlizas Express, in: konkret 3 (2006) S. 74Martin Rasper
: „No Sports“ hat Churchill nie gesagt. Das Buch der falschen Zitate. 192 Seiten, Ecowin Verlag, Salzburg 2017Wilhelmine Lübke
(1885–1981) sprach fließend Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und Russisch. Dieser Hinweis auf die Ursache der Entstehung von Lübke-Englisch wird hier erstmals aufgedeckt!