Marek Stachowski
: Kurzgefaßtes etymologisches Wörterbuch der türkischen Sprache, Kraków 2019, S. 198, Stichwort kaldırım Inhaltsverzeichnis
Weg-2
Etymologie
`Weg´ in den indogermanischen Sprachfamilien
Die umfassendste sprachliche Untersuchung zu `Pfad, Weg, Straße´ (zu den Wortfeldern um road, path/pathway/foothpath, sidewalk, way, trajectory/course, route, street, track, trail, ford, (foot)bridge) in allen indoeuropäischen Sprachfamilien (Dockalová 2011) ergab vereinfacht und verkürzt:
- an zweiter Stelle stehen Ableitungen von der Umformung des Untergrundes:
getretene Erde, zerbrochene Felsen, gelichteter Wald usw.; - in geringerer Anzahl folgen Begriffe, die von Fuhrwerken und dem Rad abgeleitet sind;
- in vergleichbarer Menge namengebend ist die Form des Untergrundes:
Einschnitt, Rille, Rinne, Gleis; - Begriffe für das Überbrücken von Gewässern und Untiefen:
Bäume, Stämme und Balken oder Deiche. - Eine einzige Bezeichnung für Pfad (ig. H1ei-tór) muss aus einer älteren Protosprache stammen, im Sinne von `Ende der Lebenszeit´, also vielleicht verbunden mit dem `Weg ins Jenseits´.
- Die ergiebigsten namengebenden indogermanischen Wurzeln für `Pfad, Weg, Straße´ für alle Sprachfamilien sind *H1ei- `gehen´ (to go) und *sentu-/-o- `senden´ (to sent).
- Die Wurzel *uegh Weg (way) `tragen´ (to carry) wird in vier Sprachfamilien fruchtbar.
- Ableitungen zur Wurzel *pont-(eH)-s `den Pfad suchen´ (to search /the path) finden sich in fast allen Sprachfamilien.
- Die vermutlichste älteste Wurzel bhrodho- `Furt´ (ford) lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit auch mit ähnlichen Belegen in den afroasiatischen Sprachen verbinden; für *dhreg- `tragen´ (to drag) lässt sich das nur vorsichtig annehmen.
- Ergänzend aus anderer Quelle: Das türkische kaldırım ‘Gehsteig, Trottoir; Straßenpflaster’ ist übernommen aus griechisch kalós drómos ‘guter Weg’ 1)
Das lateinische via
Das mit Weg u̯ai sprachverwandte lateinische vir `Mann´ (igs. u̯ī̆ro, `der Kräftige´) betont die urwüchsige Kraft und findet sich auch in Werwolf und dem nordischen vargr 2).
Die Metapher vom Lebensweg könnte bereits in diesen sprachlichen Wurzeln angelegt sein, denn da solch kreatürliche Kraft Ausdruck von Leben ist - vita: `jung, grün, lebendig´ - verbindet dies im Lateinischen: `virgo´ (Jungfrau), `vir´ (Mann), `viridere´ (grün), `virga´ (junge Weidenrute), `verga´ `Hirtenstab´ 3).
Das griechische ὁδός
Das griechische Wort für Weg, ὁδός hodós (`Hodometer´) wurzelt im idg. *sed- `gehen´, bildet jedoch mit der Vorsilbe μετα metá `nach, mit, zwischen, über´ das heute vertraut erscheinende Wort `Methode´ und deutet damit auf den `Weg zu einem Ziel hin´ als Art und Weise dieses Ziel zu erreichen. Insofern sind ὁδός und Weg bedeutungsgleich.
Hupfeld, D. H.
Noch ein Wort über ἅξιoς und Verwandtes.
Zeitschrift für Vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen und Lateinischen, 8.5 (1859) 370–375. Online Mit Bezügen zu Achse, Weg u.a.
Das nordische leið
In den nordischen Sprachen findet sich der Rómavegr und der Wegur til Róms, aber auch Wege im Sinne von Routen wie vestri leið, eystri leið 4). Während hier `Weg´ vorwiegend die Landreise mit dem Ortsziel bezeichnet, verweist leið eher auf eine Schiffahrtsroute und die Angabe der Himmelsrichtung; erkennbar auch an der etymologischen Wurzel zu *leiÞan im Sinne von `gleiten´ 5). Himmelsrichtungen werden aber nicht am Kompass festgemacht, sondern an variablen Orientierungssystemen: Man segelt nordwärts, weil die Küste rechts zu sehen ist, auch wenn der Küstenverlauf nach Osten oder Süden abknickt 6): Im Namen nor-way ist der Landesname Norwegen angelegt - das Land, wo der nor-way wieder nach Süden führt.
leið öffnet ein Begriffsfeld um den Weg, aber auch um das Leiden, gemeinsam ist beiden die zielgerichtete Bewegung, das Vorankommen. Diese Bewegung im physischen ebenso wie im übertragenen Sinne führt auf ein Ziel hin, sie bringt den Menschen weiter, befördert und entwickelt ihn. Ausgelöst wird die Bewegung durch einen inneren Antrieb, den Druck der Drangsal, das drängende Bedürfnis zu etwas hin 7).
`Weg´ in den germanischen Sprachen
`Weg´ und seine Ableitungen wurzeln im indogermanischen u̯ai, das ein zielgerichtetes Bewegen ausdrückt, dabei jedoch Kraft und Willen ausdrücklich betont, in den Begriffsfeldern:
- Nahrung suchen (weiden), genießen > Speise, Wegzehrung
- eilig, schnell, kräftig > Fahrt
- leiten, lenken, führen > Spur, Weg, Pfad
Unter allen 21 Nomina der Fortbewegung in den altgermanischen Sprachen sind nur *wega und *ganga in allen Einzelsprachen bezeugt. Darüber hinaus war es auch in drei weiteren indogermanischen Sprachfamilien fruchtbar 8), wurzelt also in deren Protosprache. Dabei führt das Weg-Wort mit 730 Belegstellen und wird zum Angelpunkt der Fortbewegung und der damit verbundenen Metaphern. Das urgermanische Fortbewegungsverb *wegan wurde bereits im Sinne von Unterwegs-sein genutzt, hat aber im heutigen Sprachgebrauch das gesamte Wortfeld durchdrungen:
- als Teil des Adverbs `Unterwegs-sein´;
- im Objekt des Weges;
- in Bildungen wie Wegfindung, Wegzehrung.
Die Varianten des Wortes sind über die gesamte Zeit immun gegen Bedeutungswandel und lassen damit auf Wurzeln schließen, die bis in die gemeingermanische Zeit reichen 9).
Die ältesten Quellen zeigen im Isidor Vuegh, im Ottfried Weg, bei Ulphilas
Wigs, im Angelsächsischen Waeg, im Isländishen Vegur, im Schwedischen Väg, im Englischen Way, im Latenischen Via, in den ältesten Zeiten Veha 10) und mhd. wec, gen. weges, mnd. wech, afries. wei, wi, anord. vegr (auch 'fahrt, reise, ausweg, verfahren, art und weise, richtung, seite, strecke') dän. vei 11).
Das australische wea
Die tradional pathways der australischen Ureinwohnerwaren verbanden die physische Wegbeschreibung mit einer mindmap aus Geschichten, ihre Vorfahren und die Natur betreffend zur wea, bei uns bekannt geworden als »Traumzeit« 12)
Literatur zur Etymologie
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“Perhaps no other word in any language, living or dead, has, despite geographical and cultural circumstances, such a multifarious meaning in the sense ‘connection from one place to another’ as the word “way” or “road” does.”
Eine umfassende semantische Untersuchung lexikalischer Quellen für die indoeuropäischen Bezeichnungen um “road” und verwandte Begriffe wie path/pathway/foothpath, sidewalk, way, trajectory/course, route, street, track, trail, ford, (foot)bridge. Diese wurzeln überwiegend in der Fortbewegung sowie in der Technik und in den Materialien des Transportes. Als älteste indoeuropäische Wurzeln werden *bhrodho- und *dhregh- identifiziert. Im Tschechischen werden als Bezeichnungen gefunden: cesta “road”, p±sina “pathway”, stezka “footpath”, chodník “sidewalk, dráha “trajectory, course”, trat’ “route, line”, silnice “road”, vozovka “road for cars” und ulice “street”.Felecan, Nicolae
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Ein auführliches Glossar synonymer Lehnworte zu rumänisch `drum´ (Straße) und deren Wurzeln im Deutschen, Englischen, Fanzösischen, Italienischen, Ungarischen usw.Lorenz Grasberger
Studien zu den griechischen Ortsnamen, mit einem Anhang zu den griechischen Stichnamen.
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Einige Bezeichnungen für den Begriff Strasse, Weg und Kreuzweg im Romanischen.
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Wege-Bilder im altgriechischen Denken und ihre logisch-philosophische Relevanz.
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Lateinische Disputation umfangreicher griechischer Belege.K. Vlahov
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Thrakisches Vlori para (n. pl.; = dako-mösisch 'dava') ist Bestandteil vieler frühbyzantinischer Toponyme -paron, -pera, -para (Dorf, Siedlung) und bedeutete ursprünglich ,,Pfähle, Zäune, durch Palisaden eingezäunte Höfe“.Niederehe, Hans-Josef
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Kurzgefaßtes etymologisches Wörterbuch der türkischen Sprache, Kraków 2019: Jagiellonian University,. Online
alttürkisches yōl findet sich in allen Turksprachen, variiert als Sagai čollïġ < čol; Koibal yollïġ; Kyzyl šol; Chulym Turkic čol ~ yol; Yakut suollāx < suol; Dolgan huol; zahlreiche Belege siehe dort.
Literatur
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Die antiken Grundlagen des europäischen Straßensystems - R.-J. Lilie
Straßen und Verkehrswesen in Byzanz - Pascual Martínez Sopena
El Camino de Santiago, entre los caminos de la España medieval - Céline Perol
Les réseaux routiers de la France médiévale.
Ambitions et limites d'un champ d'investigation historique - Thomas Szabó
Die Itinerarforschung als Methode der Erschließung des mittelalterlichen Straßennetzes - Barry Raftery
Archäologie der vor- und frühgeschichtüchen Bohlenwege Irlands - Inqolf Ericsson
Straßen des Mittelalters im archäologischen Befund - Friedrich Wolfzettel
Von Santiago nach Babiloine.
Wegesymbolik und Struktursymbolik in dem altfranzösischen Liebesroman Floire et Blancheflor - Getrud Blaschitz
Unterwegs in der mittelhochdeutschen Epik des 12. und 13. Jahrhunderts.
Das sprachliche und literarische Erscheinungsbild von Weg und Straße in der Heldenepik, im Frauendienst desUlrich von Liechtenstein
und im Helmbrecht vonWernher dem Gärtner
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Straßen als Bildelemente im späten Mittelalter - Dietrich Denecke
Mitteleuropäische Verkehrsachsen. Entstehung, Wandel und Verfall vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert - Nicole K. Longen
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La dénomination des chemins dans la toponymie de la Russie du Nord et les représentations populaires du monde. Online - Ščepanskaja Tat'jana Borisovna, Pernette Cédric
L'ethnographe de terrain.
Le déplacement comme contexte de la connaissance ethnographique. Online - Viellard Stéphane
«A beau mentir qui vient de loin»
Catherine II
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La route dans les notes de voyage des Français et des Russes au début du XIXe siècle
Aspect du paysage ou illustration du «chemin» de la pensée? Online - Platov Ilya
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Quêtes utopiques, chemins allégoriques
Le genre de l'itinéraire spirituel en Russie et ses transformations (XIIe-XXe siècle). Online - Skonečnaja Ol'ga, Jurgenson Luba
Carnets de voyage et manie de la persécution
Les Carnets d'un toqué d'Andrej Belyj
. Online - Delacroix Marie
Deux itinéraires deMandelštam
au début des années 1930.
Exil et renaissance poétique. Online - Troubetzkoy Laure
Route américaine et voie soviétique: une convergence éphémère. Online - Balina Marina, Gréciet Françoise
La fin du protocole: La transformation des récits de voyage dans la littérature russe des années 1960-1980. Online - Brumfield William Craft
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(Hg.)
Symbolik von Weg und Reise
Wien Lang 1992, darin:- Zum Bild des Weges in der Literatur des antiken Griechenland
Thomas Fleischhauer - Gott und Mensch auf dem Weg.
Einige Hinweise zur hebräischen Bibel, ausgehend von Jes. 55,9
Felix Mathys - Zum Motiv des Weges im Buddhismus
Karl H. Henking - Aufstieg und Abstieg.
Zur Metapher des Weges beiRudolf von Biberach
,Meister Eckhart
undJohannes Tauler
Niklaus Largier - Die Wegmetapher in den Autobiographien von
Johannes Butzbach
undIgnatius von Loyola
Andreas Beriger John Bunyan
, »Die Pilgerreise nach dem Berge Zion«
Maria Hutter- Weg und Wandlung
Ethnologische Feldforschung zur Spiritualität heutiger Jakobs-Pilger und Pilgerinnen
Barbara Haab - Ahasver. Studien zur Sage über den Ewigen Juden
Günther Kapfhammer - Das Bild der Brücke in Märchen und Sagen
Kata Linhorn - Sightseeing, Shopping, Souvenirs und Spezialitäten.
Symbole und Symbolkonsum in massentouristischer Sicht
Ueli Gyr - The Way Inward; or,
Swifts
Knife
Allen Reddick - „Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg“: Zum Motiv des Weges bei
Franz Kafka
Bernard Fassbind - Weg und Fahrt im Traum
Peter Seidmann - Way Symbolism in Personal Life
Illustrated and explained from a Taoist perspective
Rens J. P. Van Loon - Weg — Richtung — Gericht
Hermann Levin Goldschmidt
Westerkamp, Dirk
Weg.
In: Ralf Konersmann (Hg.): Wörterbuch der philosophischen Metaphern. Darmstadt 2008, S. 518–545Zehnder, Markus Philipp
Wegmetaphorik im Alten Testament.
Eine semantische Untersuchung der alttestamentlichen und altorientalischen Weg-Lexeme mit besonderer Berücksichtigung ihrer metaphorischen Verwendung. Zugl. Diss. Univ. Basel 1997. Berlin / New York 1999.
N. L. Westergaard
Über die Verwandtschaft zwischen dem Sanskrit und Isländischen
Zeitschrift für die Wissenschaft der Sprache. G. Reimer, Berlin 1846
S. 124 und 137-139 über die sprachlichen Verbindungen zwischen Vargr (aisl.), Vrika (sk.) `Wolf´ zu ver (isl.), vira (sk.) `Mann´.
Romain Garnier
Sur l’étymologie du latin virgō « vierge «
Studia Etymologica Cracoviensia 19.2 (2014) 59-70
Simonsen, Povl
Ottar fra Hålogaland Ottar 14 (1957) 3, Anmerkung 11, S. 10 f.
Ottar, Populære småskrifter fra Tromsø Museum. Lofotpostens trykkeri
Kühnhold, Christa
Der Begriff des Sprunges und der Weg des Sprachdenkens
eine Einführung in Kierkegaard
Berlin 1975: Walter de Gruyter
S. 112-115, dort auch ein anschauliches Begriffsfeld
Winfried Breidbach
: Reise - Fahrt - Gang. Nomina der Fortbewegung in den altgermanischen Sprachen. Peter Lang 1994 Diss. KölnSpooner, P. G., M. Firman, Yalmambirra
Origins of Travelling Stock Routes. 1. Connections to Indigenous traditional pathways. The Rangeland Journal. 32.3 (2010) 329-339